Comet-CEO: «Wir könnten unsere Ziele früher erreichen»
Comet sieht keine obere Grenze...
Seit September führt Kevin Crofton das Technologieunternehmen Comet (COTN 235.00 +3.52%) aus Flamatt, Kanton Freiburg. Er hat den Chefsessel von Verwaltungsratspräsident Heinz Kundert übernommen, der kurz zuvor eine neue Strategie formulierte, die einen klaren Fokus auf die Halbleiter- und Elektronikindustrie legt.
Zur Person
Die Schweiz sei ein wunderbares Land mit tollen Menschen, findet Kevin Crofton (Jahrgang 1961). Seit er den Chefsessel von Comet im freiburgischen Flammat innehat, lebt er in Bern. Eines der ersten Dinge, die er unternommen habe, sei ein Sprung in die Aare gewesen.
Crofton ist amerikanisch-britischer Doppelbürger und begann seine Karriere im amerikanischen Verteidigungsministerium. Von dort ging es zum Luft- und Raumfahrtunternehmen Pratt & Whitney, bevor er 1994 zu Lam Research in die Halbleiterindustrie wechselte. Zuletzt war er Präsident von SPTS Technologies, einem führenden Anbieter von Technologien zur Wafer-Bearbeitung.
Herr Crofton, Sie glauben, dass die Halbleiterindustrie und damit Comet am Anfang eines Superzyklus stehen. Weshalb?
Eine Mischung aus Fakten und Meinungen gibt mir diese Zuversicht. In der Vergangenheit dauerten die Zyklen der Halbleiterindustrie nie besonders lange. Sie wurden durch die Nachfrage nach Rechenleistung, durch PC-Hersteller oder durch neue Technologien für Mobiltelefone ausgelöst. Aber jetzt sind wir an einem Punkt, wo die Arbeitsgeschwindigkeit von Halbleitergeräten ausreicht, um eine Industrie 4.0 aufzubauen. Smarte Fabriken, smarte Häuser, smarte Autos, dazu kommt der neue Mobilfunkstandard 5G. Manche reden schon von 6G. Wir stehen am Beginn einer umfassenden digitalen Wirtschaft.
Quote
«Der Zyklus hat eine Form, die stärker ist als alles, was wir bisher in der Industrie gesehen haben.»
Da kommt also die perfekte Welle?
Ja genau. Der Zyklus hat eine Form, die stärker ist als alles, was wir bisher in der Industrie gesehen haben. Die Nachfrage kommt von einer sehr breiten Basis und wird stärker beschleunigt als wir es von früheren Zyklen kannten. Wir erleben eine noch nie dagewesen Dynamik.
Wie lange wird dieser perfekte Zyklus wohl anhalten?
Wenn man den Marktforschern, den Branchenverbänden oder unseren grossen Kunden zuhört, sprechen alle von einem Wachstum von bis zu 20% in diesem Jahr und von einem Wachstum um die 10% im nächsten Jahr. Sie reden schon jetzt über einen Zeitraum von zwei Jahren. Das hat es in der Halbleiterindustrie noch nie gegeben. Dort wurden bisher die kommenden sechs Monate prognostiziert und niemand hatte eine Idee, was in einem Jahr passiert. Und nach sechs Monaten hiess es dann oft, oh, es sieht so aus, als käme ein Abschwung.
Diesmal hält der Zyklus also zwei Jahre?
Die Einschätzungen beruhen zwar vielfach auf Meinungen, aber ich erwarte, dass die Nachfrage über einen langen Zeitraum bullish bleiben wird. Drei bis fünf Jahre sollte es anhalten, vielleicht sogar länger.
Sind in diesem langen Zeitraum Technologiesprünge für Speicher- und Logikchips zu erwarten?
Die Halbleiterindustrie ist immer für Überraschungen gut. Als ich 1994 dazukam, waren die kleinsten Strukturen auf den Chips rund ein Tausendstel Millimeter gross und galten als die Grenzen des Machbaren. Diese Grenzen wurden immer weiter hinausgeschoben. Zurzeit arbeiten wir im Bereich von wenigen Millionstel Millimetern. Welch unglaublicher Fortschritt!
Quote
«Ich erwarte, dass die Nachfrage über einen langen Zeitraum bullisch bleiben wird.»
Ist denn jetzt tatsächlich eine physikalische Grenze erreicht?
Es gibt Hersteller, die die Dimensionen nochmals halbieren wollen. Die unstillbare Nachfrage nach steigender Rechenleistung treibt diese Entwicklung. Einige sagen jedoch, dass die physikalische Grenze erreicht sein sollte und das Mooresche Gesetz, gemäss dem sich die Zahl der Transistoren pro Chip alle zwei Jahre bei gleichen Kosten verdoppelt, möglicherweise nicht mehr gilt. Um dennoch mehr Schaltkreise auf einem Chip unterzubringen, geht die Industrie dazu über, immer mehr Chips aufeinander zu stapeln und Speicher, Logik und andere Funktionen in ein einziges Bauteil zu integrieren. Apple (AAPL 126.81 +0.72%) hat jüngst mit dem M1 ein solches System-on-a-Chip auf den Markt gebracht. Im Januar kündigte Micron (MU 94.77 +1.09%) einen NAND-Speicherchip mit 176 Schichten an. Wahrscheinlich kommt bald jemand, der einen NAND-Speicher mit 200 Schichten ankündigt. Für jede Schicht sind mindestens zwei zusätzliche Plasmaprozessschritte notwendig. Das ist gut für Comet, denn die immer komplexeren Produktionsprozesse erfordern eine immer engere Prozesskontrolle bei jedem einzelnen Schritt. Wir können den Ausrüstern in dieser Arena mit unseren Produkten helfen.
Und da kommt der neue Hochfrequenzgenerator von Comet ins Spiel?
Ja, aber es handelt sich dabei nicht um den einen Generator, den man sich im Katalog aussucht und bestellt. Es geht um eine ganze Familie von Generatoren. Oder besser noch, um eine Plattform, die unseren Kunden viele Schnittstellen bietet, über die sie ihr eigenes Know-how einfliessen lassen können. Es handelt sich definitiv nicht um ein Produkt von der Stange. Wir denken, wir hoffen, dass wir mit unserer Plattform den Halbleiterherstellern eine deutlich bessere Prozesskontrolle als mit bestehenden Komponenten bieten können. Damit würde die Ausbeute bei der Chipproduktion erheblich steigen.
Das heisst, Sie sind sich da nicht sicher?
Wir haben da ein «Brand new Baby», das jetzt wachsen muss. Es ist ein Versprechen an die Industrie. Wir können nicht alle denkbaren Anwendungen und Betriebsbedingungen prüfen. Das könnten Hunderte sein. Unsere Kunden machen gerade Betatests, und ich bin sicher, wir werden schon in diesem Jahr einzelne Generatoren verkaufen. Ab 2022 sollte es dann schnell bergauf gehen. Wenn wir erfolgreich sind, eröffnen wir uns ganz neue Märkte, die bis 2025 eine Grösse von 900 bis 1000 Mio. $ erreichen können. Daran wollen wir mit 10% beteiligt sein, was, ehrlich gesagt, ein eher bescheidenes Ziel ist.
Welche Rolle sollen die beiden auf Röntgentechnik spezialisierten Divisionen in Zukunft spielen?
Die komplexen, gestapelten 3-D-Strukturen müssen überprüft werden. Das geht nur mit Röntgensystemen. Unsere entsprechende Division wird daher künftig ebenfalls stark von der Halbleiterindustrie angetrieben werden.
Das heisst also, Comet wird zu einem reinen Halbleiterzulieferer?
Nein, das denke ich nicht. Wir werden unsere traditionellen Märkte Luftfahrt und Automobil weiter bedienen. Allerdings werden wir uns in Zukunft auf standardisierte Röntgensysteme und Röntgenmodule konzentrieren. In der Vergangenheit haben wir im Systemgeschäft massgeschneiderte Einmallösungen angeboten. Zum Beispiel haben wir für Triebwerkhersteller jeweils spezialisierte Systeme gebaut. Doch so kann man kein Geld verdienen. Wir müssen unsere Mitarbeiter dazu bringen, in standardisierten Systemen mit einem breiten Anwendungsspektrum zu denken, unabhängig von der Industrie.
Und wie geht es auf diesen Märkten aktuell voran?
In beiden Märkten sehen wir einen leichten Aufwärtstrend und erwarten für uns ein Wachstum in diesem Jahr. 2020 endete mit einem schönen Auftragsbestand bei den Röntgensystemen und wir sind sehr zuversichtlich, dass unser Plan für 2021 realisierbar ist.
Gilt das auch für den vierten Markt, die Sicherheit?
Unter Sicherheit verstehen wir Anwendungen wie Gepäckkontrollen an Flughäfen oder Inspektionen in der Öl- und Gasindustrie. In beiden Bereichen erwarten wir in diesem Jahr keine wesentliche Veränderung. Das trifft vor allem unser Geschäft mit Röntgenmodulen.
Quote
«Die Kapazität reicht bis 2025, selbst wenn unsere wildesten Träume wahr würden.»
[Blocked Image: https://www.fuw.ch/wp-content/themes/fuw-2016/images/icons/zoom.png][Blocked Image: https://www.fuw.ch/wp-content/uploads/2021/04/g_s6_rw-1.jpg]
Heisst das, sie erreichen das vor einiger Zeit für die Gruppe definierte Ziel von 70% Umsatz mit der Halbleiterindustrie schon bald?
Dies ist kein Ziel per se. Wenn wir mit unseren Plänen erfolgreich sind, werden wir diesen Umsatzanteil allein aufgrund der Marktnachfrage und unseren Produkterfolgen im Elektroniksektor erreichen. Wichtigere Ziele bis 2025 sind jedoch eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 15% über die Zeitspanne gesehen, eine Ebitda-Marge von mindestens 25% und eine Rendite auf dem eingesetzten Kapital von 30%. Wenn wir an allen Fronten arbeiten und günstige Marktbedingungen haben, könnten wir diese Ziele früher erreichen.
Reichen die Produktionskapazitäten für die ambitionierten Ziele aus?
Wir bauen die neue Generatorenfamilie im deutschen Aachen. Die Fabrik ist hoch automatisiert und folgt dem Asset-Light-Modell. Dort reicht die Kapazität bis 2025, selbst wenn unsere wildesten Träume wahr würden. Erst wenn unser Marktanteil die 30% erreichen würde, könnte es knapp werden.
Wie ist die Situation in Asien?
Wir haben letztes Jahr im malaysischen Penang eine neue Fabrik eröffnet. Diese Investition war für uns sehr wichtig. Wir produzieren dort unsere Matchboxen und bald auch Röntgengeneratoren. Beides sind sehr arbeitsintensive Produktionen. Sie machen einen grossen Teil unserer Produktionskosten aus. Malaysia ist für und ein «Best Cost Country», wo wir sehr gut ausgebildete Mitarbeiter finden. Ausserdem ist unser grösster Kunde ganz in der Nähe und hat unseren Standort für die Fertigung grosser Mengen qualifiziert. Diese enge Beziehung ist sehr wertvoll.
Die Pandemie kann das Wachstum nicht bremsen
Comet ist auf Hochfrequenztechnik für die Plasmakontrolle und auf Röntgentechnik für Qualitäts-, Material- und Sicherheitsprüfungen spezialisiert. Ein drittes Standbein, die Elektronenstrahltechnologie, verursachte regelmässig Verlust und wurde im vergangenen Jahr verkauft. Mit der Fokussierung auf zwei Technologien ging die Bündelung der Kräfte auf vier statt zuvor neun Märkte einher: Halbleiter und Elektronik, Luftfahrt, Automobile sowie Sicherheit.
Diese Märkte bewegen sich derzeit in vollkommen unterschiedlichen Sphären. Während die Halbleiterindustrie in einen Superzyklus gestartet ist, leiden Flugzeughersteller, Flughäfen und Autobauer massiv unter der Pandemie. Entsprechend entwickelten sich die drei Divisionen von Comet im vergangenen Jahr unterschiedlich. Die Division Plasma Control Technology, die die Halbleiterbranche beliefert, hat den Umsatz fast 50% gesteigert. Die Divisionen Röntgenmodule und Röntgensysteme, die überwiegend die darbenden Märkte bedienen, wurden dagegen um jeweils mehr als ein Fünftel zurückgestutzt. In Summe blieb ein Wachstum von 6,5%.
Trotz der Turbulenzen hat Comet ihre Profitabilität nicht aus den Augen verloren. Die in einem negativen Marktumfeld rückläufigen Margen hatten sie 2019 dazu veranlasst, ein Effizienzprogramm aufzulegen. Das Programm ist offenbar wirksam. So lag die Ebitda-Marge 2020 mit 14,8% um vier Prozentpunkte über dem Vorjahr. Die angestrebten 25% scheinen erreichbar.
Die Digitalisierung und damit der für Comet wichtigste Wachstumstreiber wird von der Pandemie nicht gebremst, sondern eher noch beschleunigt. Anfang März hat das auf Halbleiter spezialisierte Marktforschungsunternehmen IC Insights seine Prognose für das diesjährige Marktwachstum von 12 auf 19% angehoben. Das sind gute Aussichten für Comet. Und die anderen Branchen, die sie beliefert, scheinen den Boden erreicht zu haben.
Comet ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 42 hoch bewertet. Bei anderen Zulieferern wie VAT (49) oder Inficon (42) ist es ähnlich. Wegen Comets guter Positionierung und der exzellenten Aussichten auf dem Halbleitermarkt werden Investoren ihr Interesse nicht so schnell verlieren, und es bleibt Raum für weitere Kursfantasie. Ein Engagement verspricht daher Erfolg, solange der Superzyklus hält.
Ich bleibe dabie - schon sehr lange...