Heute in der FuW erschienen:
"Rieter profitiert vom Schwung der Textilbranche
Saurers Auftragseingang erholt sich langsam – Für ein Schweiter-Engagement spricht vor allem Satisloh – Rieter sind Saurer vorzuziehen
Von Corina Drack
Die Industriewerte sind von der Börsenkorrektur der vergangenen Wochen besonders heftig erfasst worden – und das obwohl die Schweizer Industrieproduktion auf Hochtouren läuft. Auch die Textilmaschinenaktien erlitten deutliche Kurseinbussen: Rieter notieren 20%, Saurer 17% und Schweiter 15% unter den Anfang Mai markierten Höchstwerten. Da die Textilmaschinenbranche oft eigene, von der Maschinenindustrie unabhängige Zyklen aufweist, lohnt sich ein genauerer Blick, ob hinter den Kursabgaben nicht etwa fundamentale Gründe stecken.
China erholt sich – Indien boomt
Nichts deutet derzeit auf eine Verlangsamung hin, im Gegenteil: Der Mitte 2005 eingesetzte Aufschwung beschleunigt sich und die Textilmaschinenhersteller produzieren nahe der Kapazitäten. Die Halbjahresresultate werden für die Investoren angenehme Überraschungen sein, das gilt in besonderem Mass für Rieter, aber auch für den bedeutend kleineren Konkurrenten Schweiter. Der Zeitpunkt ist ideal, noch zu tiefen Kursen zuzugreifen.
Die Durststrecke im chinesischen Markt ist überwunden. Nach monatelangem Investitionsstillstand als Folge von Überkapazitäten und Handelsstreitigkeiten, investieren Chinas Textilhersteller vor allem in Maschinen, die eine höhere Garnqualität hervorbringen, mit der sich höhere Margen erwirtschaften lassen. Davon profitiert vor allem Rieter. Aber auch Schweiter stellt im Vergleich zum Vorjahr mehr Bestellungen aus China fest.
Doch dieses Jahr spielt die Musik zur Hauptsache in Indien. Die indische Regierung hatte Anfang 2005 ein Förderprogramm lanciert, um den Anschluss an China nicht zu verpassen. Die exportorientierten Textilproduzenten Indiens profitieren von tieferen Importzöllen auf Maschinen und günstiger Fremdfinanzierung. Das Programm löste einen Boom zur Erneuerung der zum Teil veralteten Textilmaschinen aus. Der schlägt sich in den Auftragsbüchern aller drei Schweizer Maschinenproduzenten nieder.
Rieter sehr gut ausgelastet
Doch die drei profitieren in unterschiedlichem Mass von der Entwicklung. Rieter ist im gegenwärtigen Umfeld besser positioniert als Saurer. Rieter liefert einen grossen Teil der Maschinen für die Produktion qualitativ hochwertiger Naturfasern – ein Bereich, in den sowohl in China wie auch in Indien kräftig investiert wird. Saurers Hauptgeschäft sind dagegen die Chemiefasern, die sich bislang von der Investitionsflaute nicht erholt haben. Eine Besserung ist noch nicht in Sicht. Die Auftragslage Ende 2005 zeigte diesen Unterschied deutlich: Rieters Auftragseingang stieg letztes Jahr um 8% auf 1,18 Mrd. Fr., Saurer erlitt dagegen einen Auftragsrückgang von 18% auf 1,1 Mrd. €.
Die Halbjahresresultate dürften daher unterschiedlich ausfallen. Obwohl auch Saurer eine leichte Belebung der Bestellungen konstatiert, dürfte der Semesterumsatz angesichts der mageren Auftragslage Ende 2005 nicht berauschend sein. Die Jahresprognose, sofern sie nicht reduziert wird, impliziert eine Besserung in der zweiten Jahreshälfte. Mehr Freude werden die Halbjahreszahlen Rieters bereiten. Der gute Auftragsbestand Ende 2005 wird sich bereits auf das Semesterresultat auswirken und der Auftragseingang wird Hinweise auf das zweite Semester liefern. Rieter-Chef Hartmut Reuter spricht von einer «sehr sehr guten Auslastung», und «dass sich der hohe Bestelleingang vom Vorjahr 2006 fortgesetzt hat.»
Schweiter schaffte in den ersten Monaten 2006 einen etwas höheren Umsatz mit Textilmaschinen als im Vorjahr, allerdings mit geringeren Margen, die – wie Finanzchef Heinz Baumgartner hofft – im zweiten Semester wieder steigen werden. Schweiters Textilsparte hat seit der Stärkung von Satisloh etwas an Gewicht am Gesamtergebnis verloren. Satisloh macht mittlerweile die Hälfte des Umsatzes aus und ist im Gegensatz zu den beiden anderen Sparten Textil und Halbleiter nicht zyklisch. Es ist vor allem das Potenzial dieser Sparte, die für eine Investition in Schweiter spricht. Sie hat als Marktführerin in der Brillenglasbeschichtung grosses Wachstumspotenzial und dürfte nach abgeschlossener Integration der LOH-Gruppe 2006 eine Betriebsmarge von gegen 10% erreichen und ab nächstem Jahr jeweils zwischen 10 und 15% erwirtschaften.
Wir geben Rieter klar den Vorzug gegenüber Saurer. Beide weisen eine ähnliche Bewertung auf. Doch Rieter hat das bessere Risikoprofil als Saurer. Dessen Textilgeschäft kommt langsamer in Schwung, der zweiten, kleineren Sparte Antriebstechnologie macht die Verlangsamung des Markts für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu schaffen. Der Anfang 2006 übernommene US-Getriebehersteller Fairfield ist zwar rentabler als Saurers Getriebegeschäft, doch die Integration ist noch im Gang und die Schlussabrechnung nicht erstellt. Zudem hat Saurer mit Laxey einen unberechenbaren Grossaktionär (vgl. unten).
Ganz anders Rieter: Das Textilgeschäft ist in einer Aufschwungphase, die weit grössere Autozuliefersparte verzeichnete auch 2006 Wachstum, und die Marge weitet sich aus. Einziger Kritikpunkt ist das überschüssige Bargeld, das den Industriekonzern zum Übernahmeobjekt macht, wie das Konkurrent Saurer kürzlich erfahren hat. Die Übernahmen, für die das Management die Mittel einsetzen will, lassen auf sich warten. Die Gelegenheit, einen Teil an die Aktionäre auszuschütten und damit ein Zeichen zu setzen für eine Optimierung der Kapitalstruktur, liess Rieter im Frühjahr verstreichen. Hartmut Reuter war kein Kommentar zu diesem Thema zu entlocken. Er vertröstete auf die Präsentation der Halbjahreszahlen von Mitte August.
--------------------------------------------------------------------------------
Wie Rieter Saurer beraten könnte
Die Saurer-Führung hat eine turbulente Zeit hinter sich. Der mit 20% grösste Aktionär, der britische Hedge fund Laxey Partners, beantragte an der Generalversammlung vom 11. Mai die Ausschüttung von 140 Mio. Fr. Das Management kämpfte gegen das Ansinnen. Die Ausschüttung hätte die Expansionsstrategie gefährdet. Saurer gelang es, 70% der Stimmberechtigten für die Teilnahme an der GV zu mobilisieren und bedeutende Aktionäre von den Wachstumsplänen zu überzeugen. Angesichts der sich abzeichnenden Niederlage zog Laxey den Antrag während der GV zurück. Nicht verhindern konnte Saurer dagegen, dass Laxey-Chairman Preston Rabl in den VR gewählt wurde. Seither ist es ruhig geworden um Saurer und Laxey. Die erste VR-Sitzung in der neuen Zusammensetzung wurde am Tag nach der GV durchgeführt und verlief ohne Vorkommnisse. Eine weitere hat seither nicht statt gefunden.
Laxeys Vorhaben waren und sind auch heute nicht ganz klar. Es gelang ihm nicht, die Investoren von seinen langfristigen Absichten zu überzeugen. Der Eindruck bleibt bestehen, dass der Hedge fund gezwungenermassen zum langfristigen Investor mutierte – wohl weil er das Paket nicht zum gewünschten Preis verkaufen konnte. Da über die nächsten Schritte Laxeys wenig Klarheit herrscht, bleibt die Laxey-Beteiligung ein Unsicherheitsfaktor für die Aktien. Immerhin haben die Investoren grösstmögliche Transparenz: Laxey muss jeden Handel in den Saurer-Titeln als Management-Transaktion der SWX Swiss Exchange melden. Einen Rat, wie ein unberechenbarer Grossaktionär loszuwerden ist, könnte Saurer von Konkurrent Rieter holen: Diesem gelang es vor drei Jahren, das Paket von 28% der in finanziellen Nöten steckenden BZ Gruppe unter mehreren Investoren breit zu streuen.
CD
Finanz und Wirtschaft vom 24. Juni 2006 "