bengal cat hat am 25.11.2020 15:12 geschrieben:
Dazu kursierten ja diverse Theorien, darum auch meine ausführliche Antwort hier. Unter dem Strich gibt es darauf schlussendlich keine richtige Antwort, da es schlicht niemand wissen kann. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit wie so oft irgendwo in der Mitte...
Generell bringt eine Aufnahme in einen Index:
1) Höhere Liquidität
2) Neue Marktteilnehmer
Warum? Die Aufnahme in einen Index führt dazu, dass ein Titel ebenfalls in das Titel-/Anlageuniversum bzw. ebenfalls in den Benchmark von neuen Marktteilnehmer tritt. Dabei ist es beim MSCI grundsätzlich wie bei einer Matrjoschka. Der Small/Mid CH ist im Small/Mid Europa dieser wiederum im Small/Mid World. Also eine geographische Kaskade. Namentlich, sämtliche Marktteilnehmer welche diesen Index intern auf irgendeine Art und Weise (direkt wie indirekt) als Selektionsgrösse definiert haben. Daher müsste man wissen, wie das entsprechende Volumen sämtlicher Marktteilnehmer mit dieser Selektionsgrösse ist und die entsprechenden Allokationen. Das weiss man schlicht nicht. Aber die Thematik ist generell relativ komplex, da es für jede Ausprägung, für jede Strategie, für jeden einzelnen Marktteilnehmer eine andere Argumentation sowie Antwort gibt, wodurch am Ende des Tages ein Schnitt über sämtliche Teilnehmer gemacht werden müsste. Dieser Schnitt wird zwangsweise bei den obigen Punkten 1) und 2) landen.
Beispiel: Strikt passive Marktteilnehmer
Diese wollen generell den Benchmark so exakt wie möglich abbilden, sprich möglichst tiefen Tracking Error. Impliziert jedoch, dass der Preis (und damit Zeitpunkt) grundsätzlich irrelevant ist, da schlussendlich nur das Verhältnis bzw. die resultierende Abweichung die entsprechende Messgrösse darstellt. Dabei kann man unter physischer (Direkt: Haben den Titel effektiv im Portfolio) und synthetischer Replikation (Indirekt: Nur ein Swap und daher Problem von der Gegenpartei) unterscheiden. Dabei kann es jedoch auch vorkommen, das es Mischformen gibt. Ein Teil direkt und ein Teil indirekt repliziert. Der physische Aspekt ist eigentlich eine dankbare Geschichte. Dieser Teil bildet ja nur 1:1 ab (bzw. im entsprechend definiertem Verhältnis) und daher sind die entsprechenden Aktien de facto wie gesperrt (darum machen diese Marktteilnehmer übrigens auch so häufig Security Lending -> Renditeaufbesserung), bzw. abhängig von externen Cashflows im Portfolio selber (Zu- und Abflüsse). Da der Tracking Error im Vordergrund steht, ist der Ziel-Zeitpunkt vom Kauf prinzipiell "exakt" der Zeitpunkt wo der Titel in den Index aufgenommen wird. Also "theoretisch". Ansonsten geht man das Risiko ein, dass man unnötig einen Tracking Error produziert. Genau diesen will man jedoch generell eigentlich nicht. Daran werden sie ja gemessen. Trotzdem gibt es Situation wo selbst bei strikt passiven Marktteilnehmer oder Aspekten der Tracking Error in den Hintergrund gerät, namentlich falls im entsprechenden Index irgendwelche Firmen repräsentiert sind, welche gemäss Anlagereglement/-kriterien ein Exclusion Criteria erfüllen. Schönes Beispiel ist die Thematik ESG. Aber auch das regulatorische Umfeld (v.a. Cross Border) kann zu Abweichungen führen. Beispiel hier wäre der SMI und UCITS. Also nur weil ein Titel im Index ist, heisst dies nicht zwingend, dass ein strikt passiver Marktteilnehmer diesen im Teilvermögen haben muss, diesen im richtigen Vehältnis haben muss, im richtigen Vehältnis haben darf, oder generell haben darf. Alles abhängig von dem entsprechendem Anlagereglement bzw. der -kriterien. Dafür wird das Anlagereglement überhaupt, der relevante Benchmark genau und der Tracking Error jeweils mit einem Max definiert. Abweichungen ergeben sich schlicht schnell. Heisst dies jetzt, dass genau an dem Tag des Wechsels im Index gekauft wird? Kann aber muss nicht. Theoretisch können sie vorgänig ebenfalls auch einfach eine Partei beauftragen und die Titel dann von dieser termingerecht übernehmen. Bzw. vielleicht haben sie sogar mehrere Teilvermögen, welche von der Änderung betroffen sind, und ein Pooling ist generell bez. Gleichbehandlung sinnvoll. Häufig kann die Problematik ebenfalls über derivative Instrumente behoben werden (Commitment-Ansatz I praktisch immer drin). Dabei sind schlussendlich schlicht stets die internen Richtlinien relevant. Damit man die Frage beantworten kann, müsste man daher von sämtlichem betroffenen Markteilnehmer die internen Richtlinien kennen, die entsprechenden Strategien sowie Taktiken und ebenfalls die entsprechenden Volumen. Generell denken bspw. alleine die Fonds (hier v.a. die ETFs welche klassisch gerne mit passiv assoziert werden, was jedoch de facto falsch ist) wiederum in aktiven und passiven Fehler (Abweichungen vom entsprechenden Anlagereglement) und für beide Arten gibt es unterschiedliche Fristen zur Behebung. Aufnahme in einen Index wäre ein externen Faktor und daher per Definition generell ein passiver Verstoss. Die entsprechenden Fristen zur Behebung sind jedoch individuell definiert und beziehen sich generell immer auf davor und danach, bzw. werden beim Event umgewandelt. Somit könnte man auch schon vorher in den Grenzen des Anlagereglementes voll oder teilweise kaufen, solange man sich in der entsprechenden Behebungsfrist befindet. Dabei ein vorgängiges Kaufen prinzipiell kritischer als ein zu spätes Kaufen. Bzw. bei einem Rebalancing wird ja wortwörtlich umgeschichtet. Implikation davon, selbst ein strikt passiver Marktteilnehmer der eine direkte/physische und ebenfalls "exakte" Replikation durchführt, hat über die Thematik der Abweichungen stets eine Marge sowie Frist zur Behebung und ist daher nicht per se gezwungen, eine zeitliche 1:1 Abbildung vorzunehmen. Kann, muss aber nicht. Geht halt schlussendlich einfach auf Kosten des Tracking Errors. Was wiederum eine bewusste Entscheidung ist, oder zumindest eine in der Vergangenheit in Prozessen und internen Richtlinien definierte sowie kommunizierte Entscheidung war. Das ist mal eine kurze Übersicht über die passiven Aspekten. Dabei schon bei diesem Aspekt die Problematik von Währungen, Fund of Funds und dem nicht organisierten Kapitalmarkt (Stichwort: Darkpools / Börse ist nur ein Teil des Kapitalmarktes) ausgeblendet. Die Thematik ist halt wirklich komplex... Und diese wird umso komplexer, je mehr man sich von dem passiven Aspekt entfernt. Dabei wird es ebenfalls relativ schnell extrem kompliziert sowie undurchsichtig.
Zusammenfassung bez. Zeitpunkt:
Abhängig von vielen Aspekten, aber grundsätzlich immer die Frage im Vordergrund: "Kriege ich meine benötigten Stücke innerhalb meiner vordefinierten Frist". Wenn Ja, wird an dem entsprechendem Tag gekauft. Falls Nein, dann muss eine andere Lösung her und die gibt es immer. Ich würde jedoch die ersten beiden Punkte 1) und 2) als Richtwert nehmen. Die Aufnahme ist schlicht das Eintrittstor für neue passive sowie aktive Marktteilnehmer. Das ist die Aussage, welche man wirklich 100% treffen kann. Bzw. der Effekt sollte theoretisch strikt positiv sein, wobei dieser jedoch nicht quantifizierbar ist. Bandbreite wäre praktisch neutral bis sehr positiv. Dabei jedoch v.a. die weitergehenden Implikationen und aktiven Geschichten spannend.