Experten legen Kiffer-Konzept vor
Bergbauern sollen jährlich 100 Tonnen Cannabis im Wert von einer Milliarde Franken anpflanzen
Die Schweiz macht Dampf bei der Cannabis-Regulierung. Nächste Woche legen Experten den Mitgliedern der Eidgenössische Kommission für Drogenfragen zwei Konzepte für eine schweizweite Regulierung von Hanfprodukten vor. Beide Papiere wollen Konsum und Anbau von Cannabis legalisieren. Damit beginnt in der Debatte eine neue Phase: Zum ersten Mal seit der Ablehnung der Legalisierungsinitiative 2008 findet sie wieder auf nationaler Ebene statt.
Die Autoren der beiden Berichte sind Olivier Guéniat, Chef der Neuenburger Kriminalpolizei, und Thomas Kessler, ehemaliger Drogendelegierter der Stadt Basel. Während Guéniat dem Vernehmen nach die Vergabe von Produktionslizenzen an Private vorschwebt, geht Kesslers Studie in eine andere Richtung. Der ehemalige Drogenbeauftragte des Kanton Basel-Stadt hatte bereits vor 20 Jahren einen Plan für die Regulierung von Cannabis erarbeitet. Das neue Konzept lehnt sich daran an: Bergbauern sollen im Auftrag des Staates jährlich rund 100 Tonnen Cannabis anbauen. Geschätztes Marktvolumen: 1 Milliarde Franken. Daraus sollen über Abgaben 850 Millionen Franken an den Staat zurückfliessen und unter anderem für die AHV und die Prävention verwendet werden. Gemäss Berechnungen Kesslers bleiben den einzelnen Bauernbetrieben so bis zu 30 000 Franken jährlich.
In der Schweiz konsumieren 500 000 Personen Cannabis
Beim Bauernverband gibt man sich denn auch vorsichtig neugierig. Falls es dafür eine gesetzliche Grundlage geben würde, würden sich genügend interessierte Bauern finden, glaubt Thomas Jäggi vom Bauernverband. So weit ist es noch nicht: Laut Toni Berthel, Präsident der EKDF, dienen die Konzepte der Kommission dazu, Informationsgrundlagen zu schaffen, «falls Bundesverwaltung oder Bundesrat mit Fragen an uns herantreten».
Die Fragen werden kommen. Denn: Die Cannabispolitik ist global in Bewegung. Uruguay und mehre US-Bundesstaaten haben das Kraut legalisiert. In Genf, Basel, Zürich, Bern und Winterthur arbeiten die Verwaltungen an eigenen Regulierungskonzepten. Für die Experten in den Städten ist klar: Es besteht Handlungsbedarf. Schätzungen gehen in der Schweiz von 500 000 Cannabiskonsumenten aus. Die Zahl blieb in den letzten Jahren konstant. Gemäss Philipp Waibel, Leiter der Gesundheitsdienste Basel, ist der Cannabiskonsum in Städten vielerorts «gesellschaftliche Realität». Die Probleme, die aus dem verbreiteten Konsum entstehen, seien dagegen gering, sagt Michael Herzig, Leiter Sucht und Drogen der Stadt Zürich. «Es wird wieder Zeit, nüchtern an das Thema heranzugehen.»
Handlungsbedarf sieht auch die Polizei. Denn der Cannabismarkt hat sich stark verändert: Noch vor zehn Jahren waren die meisten Produzenten «wie KMU organisiert», sagt Jürg Zingg, stellvertretender Kommandant der Stadtpolizei Zürich. Heute seien die Strukturen verdeckter und die Polizei stelle eine Zunahme von ausländischen Banden fest, die sich im Handel ausbreiten. Der Grund: hohe Margen, geringe Strafen.
Während früher ein grosser Teil des Stoffes auf Feldern angebaut wurde, bauen die Drogenproduzenten heute praktisch nur noch in Lagerhallen und Hinterzimmern an. Mit verheerenden Folgen, wie Gerichtschemiker Werner Bernhard vom Institut für Rechtsmedizin Bern weiss. In sichergestelltem Stoff weist er oft Spuren von Pestiziden nach. «Konsumenten rauchen diese Stoffe. Das kann stark gesundheitsschädigend sein.»