Meyer Burger droht Kapitalerhöhung
Das Geschäft des Solar-zulieferers zieht an, aber die Finanzlage wird zunehmend prekär
NZZ am Sonntag
21 Aug 2016
(Gwatt, 21. 8. 2013)Hohe Fluktuation: Rund jeder fünfte Mitarbeiter in Thun schied 2015 bei Meyer Burger aus.
Die Thuner sind stark verschuldet und verlieren Geld. Im Frühjahr müssen sie Schulden von 250 Millionen Franken refinanzieren. Eine neue Kapitalerhöhung droht. Franziska Pfister
Es ist ein Anfang. Meyer Burger hat im ersten Halbjahr weiter Geld verloren, aber deutlich weniger als in den Vorjahren. Der Solarmarkt erholt sich, neue Aufträge gingen ein, und zusätzlich hat das Unternehmen Kosten gesenkt. Dadurch reduzierte sich der Verlust im ersten Semester auf 26 Mio. Fr., nachdem in den Geschäftsjahren 2012 bis 2015 stets Fehlbeträge in dreistelliger Millionenhöhe resultiert hatten.
Entsprechend angespannt ist die Finanzlage. Das Eigenkapital erreichte Mitte Jahr einen Tiefpunkt und schrumpfte auf ein Fünftel des Werts von 2011. Der Solar-zulieferer steht mit einem Eigenfinanzierungsgrad von 26% auf wackligen Beinen, gelten doch für Industriefirmen 30% als Minimum.
Hektische Verhandlungen
Die Führung arbeitet seit Anfang Jahr mit Hochdruck daran, die Finanzierung zu sichern. Trotzdem gelang es bisher nicht, die im Mai 2017 zur Rückzahlung anstehende Anleihe in Höhe von 130 Mio. Fr. zu refinanzieren. «Wir bearbeiten diverse Alternati- ven und führen intensive Gespräche mit den relevanten Parteien», sagt Geschäftsführer Peter Pauli. Wie diese Alternativen aussehen könnten, sagt er nicht. Man werde informieren, sobald die Verhandlungen abgeschlossen seien.
Scheitert Meyer Burger dabei, die Anleihe zu refinanzieren, droht ein Kreditausfall. «Anleger für eine neue Obligation zu finden, wird eine Herausforderung», sagt Nathalie Dantès, Kreditanalystin der Credit Suisse. Der operative Cashflow reiche nicht aus, um den Investoren ein Gefühl der Sicherheit zu geben, dass sie ihr Geld zurückerhalten. Ausserdem werde Meyer Burger wohl einen höheren Coupon bieten müssen, was die Zinslast nach oben treiben würde.
Die kommendes Jahr auslaufende Obligation hat eine Verzinsung von 5%, der Kurs hat sich zuletzt erholt und notiert mit 98,5% nur noch leicht unter dem Nennwert. Im Januar 2015 war dieser kurzzeitig auf 60% getaucht. Heute herrscht mehr Zuversicht, der Kapitalmarkt stellt sich auf die Rückzahlung ein. «Der Wendepunkt könnte im ersten Semester erreicht worden sein, die Unsicherheit ist aber weiterhin gross», schreibt Michael Foeth, Aktienanalyst der Bank Vontobel. Um die Firma nachhaltig in «die rentable Zone» zu bringen, müsse sich die Auftragsdynamik weiter verbessern.
An der Telefonkonferenz mit Investoren zeigte sich Pauli überzeugt, eine Lösung für die Obligation zu finden. Dass Meyer Burger im ersten Halbjahr erstmals seit fünf Jahren einen operativen Cashflow erwirtschaftet habe, erhöhe zudem die Chance einer Refinanzierung zu ansprechenden Konditionen.
Die Anleihe ist jedoch nicht die einzige Fälligkeit, die in den nächsten Monaten ansteht. Im April, also rund einen Monat bevor die Obligationäre ausgezahlt werden müssen, laufen ein Bankkredit über 90 Mio. Fr. und eine Hypothek über 30 Mio. Fr. auf den Firmensitz in Thun aus. Der Bankkredit stellt die Lebensader des Geschäfts dar, dient der Akquisitions- und Betriebsmittelfinanzierung und wurde laut Angaben der Firma vom gleichen Bankenkonsortium gesprochen wie die Hypothek. Angesichts der bedrängten Lage hat sich Meyer Burger die Banken Rothschild und UBS als Berater angeheuert.
Denn noch ein weiterer Eckpfeiler der Finanzierung wackelt. Dem Unternehmen droht, im Herbst 2018 die Wandelanleihe über 100 Mio. Fr. ablösen zu müssen. Diese läuft bis 2020, Investoren haben aber mittels einer Put-option das Recht, sich zwei Jahre früher auszahlen zu lassen. Das Ziel war es, mit dem Wandler an neues Eigenkapital zu gelangen. Der Aktienkurs notiert jedoch auf Fr. 4.54, und der Wandelpreis beträgt Fr. 11.39. Die Aktie direkt zu kaufen, ist also weitaus günstiger, was es für Inhaber des Wandlers trotz der Verzinsung von 4% interessant machen könnte, ihr Geld frühzeitig zurückzufordern.
Giftpille für Obligationäre
Das sind ungute Aussichten für Interessenten einer neuen Anleihe. Das Unternehmen müsste einen Teil des Emissionserlöses für die Rückzahlung des Wandlers aufwenden, sagt Kreditanalystin Nathalie Dantès. «Für Investoren ist dies eine weitere hohe Hürde, die schwierig zu umgehen sein wird.» Dantès fordert denn auch umfassende Finanzmassnahmen: «Die Obligation zu refinanzieren, reicht nicht. Es braucht eine Gesamtlösung für alle anstehenden Fälligkeiten.» Auch eine neuerliche Kapitalerhöhung müsse geprüft werden. Meyer Burger hatte zuletzt im Jahr 2013 Aktien im Wert von 150 Mio. Fr. ausgegeben.
Geschäftsführer Pauli will sich nicht zu einer Kapitalerhöhung äussern. «Das Eigenkapital genügt operativ», sagt er lediglich. Im März hatte die Führung eine solche Transaktion noch als Option bezeichnet. Im Halbjahresbericht heisst es dazu lediglich, in den letzten Monaten seien mehrere «mögliche Szenarien und Modelle» ausgearbeitet worden, um alle Verbindlichkeiten fristgerecht zu refinanzieren.
Ein Analyst erkundigte sich an der Telefonkonferenz, ob womöglich ein Kaufinteressent aus China in Thun vorgesprochen habe. Der Verkauf der Firma zu einem Preis, der die Schulden übersteigt, wäre für den einen oder anderen Aktionär mit Blick auf die hohen Kursverluste eine elegante Lösung. Doch Pauli verneinte. «Wir brauchen keinen Aktionär aus Asien, um voranzukommen, schliesslich verlieren wir keine Marktanteile», sagte er.