Yin und Yang
Seit dem Parteiprogramm der SP mit ihrem "Überwindung des Kapitalismus" habe ich neben der SVP ein weiteres Feindbild. Bin also seither wieder ein ausgeglichener Mensch
Hier ein Beitrag der NZZ
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Das radikale Programm der SP bringt der Partei kaum neue Wähler
Mit radikalen Forderungen wecken Sozialdemokraten Widerstände in den eigenen Reihen. Nun setzt eine Kurs-Diskussion ein - das Schlechteste, was einer Partei im Wahljahr passieren kann.
Von Francesco Benini
Stefan Feldmann hat ein Problem. In vier Monaten finden im Kanton Zürich Wahlen statt. Feldmann würde gerne bald über Massnahmen gegen die Wohnungsknappheit reden. Das ist für die Kantonalzürcher SP, an deren Spitze Feldmann steht, das wichtigste Wahlkampfthema. Nun bringt man die SP aber vor allem mit der Überwindung des Kapitalismus in Verbindung. Mit dem erwerbslosen Grundeinkommen. Mit der Abschaffung der Armee und dem unverzüglichen EU-Beitritt.
Bonzensteuer am Zürichberg
Diese Forderungen stehen im neuen Parteiprogramm, dem die SP-Delegierten Ende Oktober in Lausanne zugestimmt haben. Mit den Beschlüssen hat sich der Flügel der Fundis gegen den Flügel der Realos durchgesetzt. Die Anhänger eines radikalen Linkskurses versetzen die Befürworter einer eher linksliberalen Ausrichtung in die Minderheit. Die Realos wehren sich nun, denn sie erachten das neue Programm als weltfremd. SP-Nationalrat Mario Fehr, der für den Zürcher Regierungsrat kandidiert, wies vor wenigen Tagen in einem Interview das neue Parteiprogramm in mehreren Punkten zurück.
In der SP setzt eine Diskussion darüber ein, wo man hinsteuern soll. Das ist so ziemlich das Letzte, was eine Partei in einem Wahljahr braucht. Die Wähler honorieren geschlossenes Auftreten, nicht Flügelkämpfe. Parteipräsident Feldmann sagt es so: «Eine Kursdiskussion in aller Öffentlichkeit vier Monate vor den Wahlen ist sicher nicht besonders hilfreich.» Für die Wahlen entscheidend sein werde, dass die SP den Zürcherinnen und Zürchern aufzeigen könne, wie sie ihre Visionen mit konkreten Projekten verbinde.
Von «Visionen» spricht, wer mit dem neuen Parteiprogramm nicht viel anfangen kann. Für die Realos hat das Lausanner Wolkenkuckucksheim mit der wirklichen Parteiarbeit nichts zu tun. Die Fundis hingegen sehen einen Katalog von Grundwerten, an denen sich die Partei orientieren soll.
Eine wichtige Rolle in Lausanne spielte Cédric Wermuth. Der Präsident der Jungsozialisten war darum bemüht, dass die 40 jungen Delegierten diszipliniert auf einer Linie abstimmten und die Veranstaltung – anders als viele andere Sozialdemokraten – nicht vorzeitig verliessen. Wermuth ist rhetorisch beschlagen wie kaum ein anderer Schweizer Politiker. Die Zahl der Jungsozialisten hat sich unter seiner Ägide verdoppelt, auf 2500. Anfänglich herrschte in der SP ungeteilte Freude darüber, dass der Aargauer mit frechen Forderungen Aufsehen erregte und seine Medienpräsenz schnell wuchs. Jetzt fragen sich viele Sozialdemokraten, wieso ihm Parteipräsident Christian Levrat keinen Einhalt gebietet.
Die Jungsozialisten setzten sich Anfang Monat in der Zürcher Kantonalpartei mit dem Projekt einer «Bonzensteuer» knapp durch – gemeint ist eine Erhöhung der Vermögenssteuer. Vor allem die Bezeichnung des Plans stösst in weiten Teilen der Partei auf Unverständnis. In der Stadt Zürich erreicht die SP am Zürichberg hohe Wähleranteile. Dort wohnen vermögende Personen in Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen. Werden sich diese Leute darüber freuen, dass sie von der Partei, die sie bisher unterstützt haben, als «Bonzen» bezeichnet werden? Wird es der SP gelingen, mit Polemik gegen Reiche Angehörige der Arbeiterklasse zurückzugewinnen, die schon lange zur SVP abgewandert sind?
Politologen haben da ihre Zweifel. Sie erwarten, dass die SP mit einer Vorlage wie der 1-zu-12-Initiative ihre Kernanhänger mobilisieren kann – aber nicht viel mehr. 1 zu 12 bezeichnet den maximalen Unterschied zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn in einem Unternehmen. Auch dieser Vorstoss stammt aus der Küche Cédric Wermuths. Er versucht sich daran, die Wahlkampfmethoden der SVP zu kopieren. Die SVP hat vor Jahren die Ausländer zum Feindbild erkoren und schürt seither erfolgreich Ressentiments. In ähnlicher Manier versuchen Wermuth und seine Jungsozialisten, Wähler gegen Reiche anzustacheln. Nur: Europaweit haben die Sozialdemokraten wähleranteilmässig vom Ausbruch der Finanzkrise – die von gierigen Bankmanagern mitverschuldet worden ist – kaum profitiert. In vielen Ländern sind die Sozialdemokraten sogar stark zurückgefallen. Es gibt ganz unterschiedliche Erklärungen dafür, dass der Unmut gegen die Mitverursacher der Rezession den Linken in keiner Weise nützt. Fest steht: Es ist so.
Cédric Wermuth ficht das nicht an. Er mischt die Partei weiter auf und wird dabei von Jacqueline Fehr unterstützt, die wie er in der SP-Geschäftsleitung sitzt. Fehr strich noch vor wenigen Wochen, als sie für den Bundesrat kandidierte, ihre Qualitäten als Brückenbauerin heraus; jetzt profiliert sie sich als Ziehmutter der Jungsozialisten. An einem Podium in Zürich demonstrierten sie und Wermuth diese Woche fast vollständige Übereinstimmung. Beide sind überzeugt, dass sich der in Lausanne eingeschlagene Kurs für die SP langfristig auszahlt.
SP-Urgestein hilft der FDP
Zumindest auf kurze Frist ist das Risiko aber gross. Der Ausgang der Zürcher Wahlen im Frühjahr gibt den Trend an für die nationalen Wahlen im Herbst. Zwar startet die Zürcher SP von einem eher tiefen Niveau – sie schnitt vor vier Jahren schlecht ab. Die radikalen Forderungen im neuen Parteiprogramm könnten nun aber nicht wenige Sympathisanten abschrecken.
Einer von ihnen ist der bekannte Zürcher Werber Hermann Strittmatter, seit Jahr und Tag Mitglied der SP. Er sagt: «Die Partei ist eingeschwenkt auf einen reaktionären Kurs, den die Jusos sowie Westschweizer SP-Delegierte und Gewerkschafter vorgeben.» Das finde er unerträglich. Als moderner Sozialdemokrat, der für eine soziale Marktwirtschaft einstehe, fühle er sich verraten. Es brauche eine starke Wirtschaft, um den Sozialstaat zu finanzieren. Strittmatter hat gerade eine neue Wahlkampagne konzipiert. Nicht für die SP, sondern für die FDP. «Der SP ist zurzeit nicht zu helfen, also helfe ich mit Überzeugung der FDP.»