Welche Handelsstrategien gibt es und welche ist die richtige für mich?
Es gibt einige Handelsstrategien, die sich bewährt haben und den Markt bereits oft schlagen konnten. Doch nicht immer sind diese Strategien einfach zu verstehen oder zu befolgen, denn zum Teil beinhalten sie einen recht großen Recherche-und Rechenaufwand. Die folgenden Abschnitte stellen einige Handelsstrategien vor, die auch für Privatanleger geeignet sind und mal mehr, mal weniger Aufwand auf Seite des Anlegers erfordern.
Top-Flop-Strategie
Die Top-Flop-Strategie ist eine Strategie, die recht wenig Aufwand erfordert und die auch Privatanleger gut anwenden können. Hierbei werden zum Jahresbeginn aus einem bestimmten Index, beispielsweise dem DAX, einfach die fünf Aktien gekauft, die im vergangenen Jahr die schlechteste Performance aufgewiesen haben, die also am meisten an Wert verloren haben. Die größten Verlierer werden deshalb ausgewählt, weil man sich von ihnen das größte Aufholpotenzial, also die größten Kurssteigerungen, in den kommenden Monaten erhofft. Man setzt also auf einen Turnaround.
Nach sechs Monaten, also zum 1. Juli, wird das Depot dann umgeschichtet. Dann werden die fünf Aktien aus dem gleichen Index gekauft, die im ersten Halbjahr den höchsten prozentualen Gewinn erzielen konnten. Falls einige der zu Jahresbeginn ins Depot geholten Verlierer-Aktien dazugehören, werden diese behalten, falls nicht, werden sie verkauft. Hintergrund bei dieser Umschichtung ist dieses Mal das sogenannte "Window Dressing". Denn zum Jahresende hin investieren Fondsmanager in die größten Gewinneraktien, um ihr Portfolio damit optisch besser aussehen zu lassen. Ist man bereits vorher in diese Gewinneraktien investiert, kann man dann Kursgewinne einstreichen.
Mit dem Jahreswechsel beginnt man wieder mit dem ersten Schritt der Strategie und verkauft alle Aktien, die nicht den genannten Anforderungen entsprechen.
Da das Depot bei dieser Strategie nur zweimal im Jahr umgeschichtet wird und die Performance der Aktien außerdem leicht zu ermitteln ist, eignet sich die Top-Flop-Strategie auch für Börsenanfänger oder Anleger mit wenig Zeit, die ihr Depot nicht ständig im Blick behalten können.
Dividendenstrategie
Dividendenstrategien gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Gleich ist ihnen allen jedoch die Tatsache, dass Aktien hauptsächlich aufgrund ihrer Dividendenzahlungen und nicht in erster Linie aufgrund ihrer Kursentwicklung gekauft werden. Die regelmäßigen Ausschüttungen an die Aktionäre und die dadurch erzielten Gewinne stehen also im Vordergrund. Man nimmt dabei jedoch an, dass Unternehmen, die eine Dividende zahlen und eine hohe Dividendenrendite aufweisen auch solide Gewinne machen und sich am Markt dauerhaft behaupten können. Bei dieser Annahme ist jedoch Vorsicht angebracht, da eine Dividende verglichen mit dem Gewinn eines Unternehmens auch zu hoch sein kann und einige Unternehmen auch schon Dividenden gezahlt haben, um Anleger gezielt über deren wirtschaftliche Situation zu täuschen. In den meisten Fällen dürfte dies jedoch nicht so sein und die Dividendenstrategie kann bedenkenlos angewendet werden.
Eine bekannte Variante ist die Dividendenstrategie nach O’Higgins. Hierbei sollen aus einem Index wie dem DAX zum Jahresbeginn die zehn Aktien mit der höchsten Dividendenrendite herausgefiltert werden. Gekauft werden von diesen Aktien aber nur die mit dem niedrigsten Aktienkurs. Diese werden dann ein Jahr lang gehalten, dann wird zum Jahreswechsel erneut die Zusammensetzung des Depots überprüft und gemäß der Strategie angepasst.
Eine weitere Variante der Dividendenstrategie geht auf Benjamin Graham zurück. Diese trägt auch den Namen Top-12-Dividenden. Hierbei wird die Zusammensetzung des Depots zweimal überprüft: einmal zum Jahresbeginn und einmal zur Jahresmitte. Ausgewählt und gekauft werden dann aus einem Index die zwölf Aktien, die die höchste Dividendenrendite aufweisen. Gehört eine Aktie, die sich im Depot befindet, nicht mehr zu diesen Aktien, so wird sie verkauft.
Die Dividendenstrategie eignet sich ähnlich wie die Top-Flop-Strategie für Anleger mit begrenzter Zeit, die an einer langfristigen Anlagemöglichkeit interessiert sind, da sie nur ein bis zwei Überprüfungstermine pro Jahr vorsieht. Sollte sich in dieser Zeit jedoch ein Börsencrash ereignen, sind Anleger mit einer Dividendenstrategie nicht vor Verlusten geschützt - und die Dividendenzahlungen, auf die diese Strategie ausgerichtet ist, können auch wegfallen oder deutlich reduziert werden.
Momentum-Strategie
Die Momentum-Strategie orientiert sich am Prinzip "The trend ist your friend". Auf Deutsch ausgedrückt bedeutet das, dass man annimmt, dass Aktien, die in der jüngsten Vergangenheit gut gelaufen sind und Kursgewinne eingefahren haben, dies auch in Zukunft tun werden. Diese Annahme und damit auch die Momentum-Strategie treffen besonders gut zu, wenn sich die Märkte generell in einem Aufwärtstrend befinden. In Seitwärtsphasen, wenn es an den Börsen also weder bergauf noch bergab geht - erzielt die Momentum-Strategie weniger gute Ergebnisse.
Die bekannteste und am weitesten verbreitete Momentum-Strategie ist die Theorie der relativen Stärke, die von Robert Levy geprägt wurde. Nach Levys Theorie werden die Aktien eines Index in einer Rangliste nach einem festen Prinzip geordnet. Dabei wird die Kursentwicklung des letzten halben Jahres, bzw. der letzten 26 Wochen, einer jeden Aktie betrachtet. Dazu werden bei jeder Aktie die letzten 26 Wochenschlusskurse addiert und anschließend durch 26 geteilt, um einen Durchschnittskurs zu erhalten. Anschließend wird der aktuelle Kurs jeder Aktien durch den so errechnete Durchschnittskurs der Aktie geteilt. Erhält man dabei einen Wert, der größer ist als 1, stellt dieser ein Kaufsignal für die Aktie dar.
Bei einem solchen Signal wird die Aktie jedoch noch nicht sofort gekauft. Zunächst wird bei allen Aktien des Index überprüft, welche Titel nach dieser Rechnung den höchsten Wert aufweisen und so die oben genannte Rangliste nach absteigender Reihenfolge erstellt. Anschließend werden die besten Aktien gekauft - jedoch nach Levy nur die besten fünf bis sieben Prozent der Rangliste. Beim DAX würde das auf einen Kauf von zwei Aktien hinauslaufen.
Mit dem Kauf der Aktien ist hier aber noch nicht Schluss. Stattdessen wird die Rangliste jede Woche weitergeführt, also nach jeder Handelswoche auf Basis der dann letzten 26 Wochen neu berechnet. Wenn eine Aktie, die aufgrund der Aussagen der Momentum-Strategie zu Beginn gekauft wurde, dabei in der Liste abrutscht und ins hintere Drittel der Liste fällt, wird diese verkauft und an ihrer Stelle die Aktie mit der höchsten Platzierung gekauft, die sich noch nicht im Depot befindet.
Die Momentum-Strategie eignet sich eher für Anleger, die bereits einige Erfahrung an der Börse gesammelt und mindestens wöchentlich Zeit für die Überprüfung ihrer Anlage aufwenden können. Denn die Berechnung der Rangliste ist nicht ganz einfach und benötigt außerdem - abhängig von der Größe des ausgewählten Index - einiges an Zeit, vor allem, da sie wöchentlich durchgeführt werden sollte.
Wenn man die Momentum-Strategie anwenden möchte, muss man sich auch darüber bewusst sein, dass im Extremfall jede Woche Umschichtungen nötig sein können - verbunden mit den dabei anfallenden Gebühren, die vor allem bei kleinen Depots stark ins Gewicht fallen könnten. Auch können die Kursverluste bei einer Aktie bereits recht groß sein, bevor sie verkauft werden darf, da sie zunächst ins hintere Drittel der Rangliste durchgereicht werden muss. Aus diesen Gründen ist die Momentum-Strategie für Börsenanfänger und Privatanleger, die den Aktienhandel nur als ein Hobby unter vielen betreiben, eher nicht zu empfehlen.
Value Strategie
Die Value-Strategie ist die Strategie, nach der Star-Investor Warren Buffet handelt. Bei ihr geht es darum, Qualitätsaktien mit einem hohen inneren Wert zu finden und diese zu einem möglichst günstigen Preis bzw. mit einem Rabatt in Relation zu ihrem wahren Wert zu kaufen. Die Kaufentscheidung wird hier also nicht aufgrund des Aktienkurses oder der Dividendenrendite getroffen, sondern aufgrund der Qualität des Unternehmens. Um die Qualität eines Unternehmens bestimmen zu können, bzw. um herauszufinden, bei welchen Aktiengesellschaften es sich um Qualitätsunternehmen handelt, spielt die Fundamentalanalyse eine große Rolle.
Bei der Fundamentalanalyse werden bestimmte Unternehmenskennzahlen betrachtet und bewertet. Wichtig sind zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) eines Unternehmens, das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), die Dividendenrendite oder das Gewinnwachstum. Anhand dieser Kennzahlen können geübte Investoren erkennen, ob das Unternehmen an der Börse unterbewertet ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Kurs einer Aktie nahe am Buchwert des Unternehmens liegt bzw. das Kurs-Buchwert-Verhältnis kleiner als 1 ist. Letzteres ist aber nur äußerst selten der Fall.
Hat man eine Aktie gefunden, die unterbewertet ist, wird diese gekauft und lange gehalten, da auf eine langfristige und solide Wertsteigerung abgezielt wird, die durch die fundamentalen Kennzahlen bereits angedeutet wird.
Die Value-Strategie gilt als eher defensive Strategie, da sie nur in Unternehmen mit solidem Hintergrund investiert, und ist daher für sicherheitsbewusste Anleger geeignet. Sie ist aber nicht so leicht anzuwenden, da man solche Unternehmen erst einmal finden muss und diese dann zusätzlich auch noch unterbewertet sein müssen. Es kann daher sein, dass man Zeit investiert, um sich hundert verschiedene Aktien anzusehen, und dennoch darunter keine unterbewertete Qualitätsaktie findet. Vom Rechercheaufwand betrachtet, dürfte die Value-Strategie daher eine der aufwendigsten Handelsstrategien sein.
Saisonalitäten
Bei dieser Handelsstrategie macht man sich als Anleger saisonale Muster zunutze. Anders ausgedrückt: Man investiert in saisonal starken Zeiten und steigt in saisonal schwachen Zeiten entweder ganz aus dem Markt aus oder reduziert zumindest das Engagement spürbar. Dieser Grundsatz findet sich auch in der bekannten Börsenweisheit "Sell in May and Go Away, but Remember to Come Back in September."
Tatsächlich lässt sich diese Handelsstrategie im Wesentlichen auf diesen alten Spruch reduzieren. Denn in den Sommermonaten herrscht am Markt meist eine Flaute, da sich auch hier die Ferienzeit, beispielsweise in Form geringerer Umsätze, auswirkt und viele Marktteilnehmer eben nicht am Markt, sondern im Urlaub sind. Zum Jahresende kommt es hingegen oft zu einer Jahresendrallye, in deren Rahmen die Aktienmärkte oft noch einmal kräftig zulegen. Diese immer wiederkehrenden zeitlichen Muster macht man sich bei den Saisonalitäten zunutze.
Die Theorie der Saisonalitäten hört sich zunächst nach einer sehr einfachen Handelsstrategie an, im Gegensatz zu anderen Handelsstrategien sagt sie aber nichts darüber aus, welche Aktien man kaufen sollte. Sie sollte daher immer mit einer weiteren Strategie, zum Beispiel der Value-Strategie, kombiniert werden. Dann eignet sie sich aber gut für mittel- bis langfristige Anlagen.