Gespräche zwischen Kanada und der EU
Freihandelsabkommen rückt näher
Aus Regierungskreisen in Kanada verlautet, dass sich Karel De Gucht, seines Zeichens EU-Handelskommissar, am Donnerstag von Washington kommend in Ottawa mit dem kanadischen Minister für Internationalen Handel, Ed Fast, getroffen hat. Das ist an und für sich keine Überraschung, sind doch Kanada und die EU schon seit 2009 mit Verhandlungen über ein gegenseitiges Freihandelsabkommen beschäftigt. Die kanadische Regierung war dabei nach eigenen Angaben darum bemüht, ein solches Abkommen noch 2012 unter Dach und Fach zu bringen, doch hat man wohl auf beiden Seiten die Komplexität des Unterfangens unterschätzt. In Kanada wird die Anreise von De Gucht aus Washington als subtiler Hinweis darauf interpretiert, dass die EU ungeduldig zu werden scheint und Ottawa durch die Blume wissen lässt, dass es allenfalls noch andere Interessenten für ein Freihandelsabkommen mit der EU gibt.
Gewichtige Stolpersteine
Es war von Anfang an klar, dass die Verhandlungen zwischen den beiden potenziellen Partnern in einer Reihe von Dossiers auf Schwierigkeiten stossen würden. Die Tatsache, dass beim Nachtessen für De Gucht am Mittwoch unter anderem kanadisches Rindfleisch serviert wurde, deutet zusammen mit der Anwesenheit von Landwirtschaftsminister Gerry Ritz darauf hin, dass einer der Stolpersteine im Agrarsektor begraben liegt. Dort will Kanada erreichen, dass die EU mehr Rindfleischimporte (und daneben auch Schweinefleischimporte) zulässt. Diese waren bisher wegen der kanadischen Praxis der Behandlung mit Wachstumshormonen eher gering.
Umgekehrt gibt sich Ottawa trotz starken innenpolitischen Bedenken in jenen Bereichen gesprächsbereit, die für Europa von Bedeutung sind, nämlich beim Supply-Management besonders für Molkereiprodukte wie Käse, Joghurt und Butter. Hier profitieren die kanadischen Produzenten von Importrestriktionen und turmhohen Importbelastungen. Wie viel Ottawa der EU in diesem Sektor entgegenkommen wird, ist aber nach wie vor offen.
Andere kritische Themen, die vor allem von europäischer Seite angestossen wurden, sind die Frage der Herkunftsbezeichnung in Fällen wie beispielsweise bei Parmaschinken und Ähnlichem sowie eine zweijährige Verlängerung des Patentschutzes für pharmazeutische Produkte Europas. Schliesslich legt Brüssel grossen Wert darauf, dass künftig auch europäische Unternehmen für Projekte der kanadischen öffentlichen Hand zugelassen werden. Alle drei Punkte stossen in Kanada teilweise auf starken Widerspruch, wobei zumeist geltend gemacht wird, eine solche Öffnung führe unweigerlich zu höheren Kosten, nicht zuletzt auch im öffentlichen Gesundheitswesen.
Signalwirkung nach Asien
Mit der neuen Gesprächsrunde in Ottawa wird zweifellos bezweckt, den Abschluss des Freihandelsabkommens zu beschleunigen. Man hofft in Regierungskreisen, dass es sich nunmehr nur noch um Wochen handelt, bis auch auf politischer Ebene ein Durchbruch erzielt werden kann. Die Regierung Harper verspricht sich von einem solchen Abkommen, welches das bedeutendste seit den Nafta-Verträgen von 1994 sein wird, einen markanten Wachstumsimpuls für die kanadische Wirtschaft insgesamt und den kanadischen Aussenhandel im Speziellen.
Dass man sich dabei in Ottawa ab und zu eher abwiegelnd verhält, dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die EU in diesem Kräftemessen der deutlich grössere Partner ist und dass auf Premierminister Harper einiges an Überzeugungsarbeit an der Heimfront wartet. Es kann gleichzeitig kaum ein Zweifel daran bestehen, dass ein Freihandelsabkommen für Harper von grösserer Bedeutung ist als für Brüssel. Ein Scheitern würde besonders in Richtung Asien, wo die kanadische Regierung ebenfalls um Freihandelsabkommen mit vielen Staaten bemüht ist, definitiv das falsche Signal senden.