• Türkische Inflation steigt auf höchsten Stand seit über einem Jahr


    In der Türkei hat sich die Inflation Ende 2020 trotz drastischer Zinserhöhungen der Notenbank weiter verstärkt und den höchsten Stand seit über einem Jahr erreicht. Im Dezember stieg die Inflationsrate auf 14,6 Prozent, wie die nationale Statistikbehörde am Montag in Ankara mitteilte. Dies ist die höchste Rate seit August 2019. Im November hatte die Inflation bei 14,0 Prozent und im Oktober bei 11,9 Prozent gelegen.


    04.01.2021 12:07


    Im Dezember hatte die türkische Notenbank mit einer deutlichen Zinserhöhung auf den Anstieg der Inflation reagiert. Sie hob den Leitzins unter dem neuen Notenbankpräsidenten Naci Agbal von 15 Prozent auf 17 Prozent an, nachdem der Zins bereits im November drastisch erhöht worden war. Zuvor hatte sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan immer wieder gegen Zinserhöhungen ausgesprochen. Erst nach einem massiven Anstieg der Inflation und einem Kursverfall der türkischen Lira hatte Erdogan offenbar eingelenkt./jkr/bgf/stw


    (AWP)

  • Türkische Notenbank lässt Leitzins unverändert


    Die türkische Notenbank hat die jüngsten Zinserhöhungen vorerst nicht fortgesetzt. Der Leitzins bleibe bei 17,0 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Ankara mit. An den Finanzmärkten hatten die meisten Analysten die Zinsentscheidung erwartet. Nur vereinzelt war auf eine weitere Zinserhöhung spekuliert worden.


    21.01.2021 12:17


    Zuletzt hatte die Notenbank im Dezember die Zinsen zur Eindämmung der starken Inflation in der Türkei erhöht. Der Zinsschritt war Ende des vergangenen Jahres überraschend deutlich ausgefallen, der Leitzins wurde damals um 2,0 Prozentpunkte angehoben. Seit dem vergangenen Sommer hat sich der Leitzins in der Türkei mehr als verdoppelt, nachdem die Inflationsrate auf fast 15 Prozent im November gestiegen war.


    Im vergangenen November hatte es einen Wechsel an der Spitze der türkischen Zentralbank gegeben. Der neue Notenbankchef Naci Agbal gilt als Verfechter einer strafferen Geldpolitik im Kampf gegen die hohe Inflation. Davor war die Notenbank des Landes dafür bekannt, eine straffere Geldpolitik, insbesondere in Form höherer Zinsen, so weit es geht zu vermeiden. Vor allem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich mehrfach für niedrige Zinsen ausgesprochen.


    Am Devisenmarkt hat sich die Lage für die türkische Lira bereits seit den starken Zinserhöhungen im November und Dezember spürbar entspannt. Nach Rekordtiefs im Handel mit dem US-Dollar und dem Euro konnte sich die Lira in den vergangenen Wochen ein Stück weit erholen. Nach der aktuellen Zinsentscheidung legte der Kurs der Lira zu allen wichtigen Währungen zu, ein Dollar wurde gegen Mittag für 7,38 Lira gehandelt./jkr/jsl/jha/


    (AWP)

  • Türkei: Weiter hohe Inflation


    In der Türkei bleibt die Inflation trotz zuletzt zum Teil starker Leitzinserhöhungen der Notenbank auf hohem Niveau. Im Januar habe die Inflationsrate bei knapp 15 Prozent gelegen, teilte das nationale Statistikbüro am Mittwoch in Ankara mit. Damit hat sich die Preisentwicklung kaum verändert. Im Dezember waren die Verbraucherpreise in der Türkei um 14,6 Prozent im Jahresvergleich gestiegen.


    03.02.2021 09:26


    Zu Beginn des Jahres ist die türkische Inflationsrate damit so hoch wie seit August 2019 nicht mehr. In den vergangenen Monaten hat die Notenbank des Landes durch mehrfache und zum Teil sehr starke Zinserhöhungen versucht, die Teuerung in den Griff zu bekommen. Analyst Tatha Ghose von der Commerzbank verwies aber auf jüngste Aussagen der Zentralbank. Diese habe nämlich davor gewarnt, dass sich die Inflationsdynamik in den kommenden Monaten zunächst verschlechtern dürfte, bevor sich die Lage wieder beruhigen kann.


    Aktuell liegt der Leitzins in der Türkei bei 17,0 Prozent. Zum Vergleich: Im vergangenen Sommer hatte er bei 8,25 Prozent gelegen. Seitdem hat sich die Geldpolitik grundlegend verändert. Der Wandel wurde auch durch einen Wechsel an der Spitze der Notenbank im November untermauert. Der neue Notenbankchef Naci Agbal gilt als Verfechter einer strafferen Geldpolitik im Kampf gegen die hohe Inflation. In den Jahren zuvor war die Notenbank des Landes dafür bekannt, höhere Zinsen so weit es geht zu vermeiden. Vor allem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich mehrfach für niedrige Zinsen ausgesprochen.


    Am Devisenmarkt reagierte die türkische Lira mit Kursgewinnen auf die Veröffentlichung der Preisdaten. Die Währung konnte am Morgen sowohl zum US-Dollar als auch zum Euro zulegen. Zuletzt wurde ein Dollar für 7,13 Lira und ein Euro für 8,58 Lira gehandelt./jkr/jsl/jha/


    (AWP)

  • Türkischer Notenbankchef schliesst Zinssenkungen für lange Zeit aus


    Angesichts der relativ hohen Inflation in der Türkei ist laut Notenbankchef Naci Agbal auf längere Zeit nicht an ein Lockern der Zinszügel zu denken. "Es scheint dieses Jahr für eine lange Zeit nicht möglich zu sein, Zinssenkungen auf die Agenda zu setzen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters im ersten Interview seit der Amtsübernahme vor drei Monaten.


    05.02.2021 10:35


    Es sei vielmehr angezeigt, die Geldpolitik weiter zu straffen, falls sich abzeichne, dass sich die Inflation von derzeit 15 Prozent künftig höher als erwartet entwickle. Dabei werde die Notenbank nicht abwarten, sondern "im voraus" handeln.


    Agbal geht davon aus, dass die Verbraucherpreise noch einige Monate steigen dürften, bevor sie sich gegen Ende des Jahres langsam dem von der Notenbank prognostizierten Wert von 9,4 Prozent annähern werden.


    Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den einstigen Finanzminister Agbal Anfang November auf den Stuhl des Notenbankchefs gehievt - kurz nachdem die Landeswährung auf ein Rekordtief gefallen war. Laut Insidern wurde der geschasste Zentralbankchef Murat Uysal für den Niedergang der Lira mitverantwortlich gemacht. Erdogan verband den Personalwechsel mit dem Versprechen, ein investorenfreundliches Umfeld zu schaffen.


    Unter Agbals Leitung hat die Notenbank den Leitzins von 10,25 Prozent auf 17 Prozent erhöht. Sie hat damit versucht, die ausufernde Inflation in Schach zu halten, die sich seit drei Jahren zumeist im zweistelligen Prozentbereich bewegt. Der straffe geldpolitische Kurs wird von den Investoren goutiert: Nachdem sie über Jahre eher einen Bogen um türkische Vermögenswerte machten, strömt nun wieder vermehrt ausländisches Kapital in das Schwellenland.


    Und auch die lange Zeit taumelnde Lira hat sich wieder stabilisiert. Sie legte nach Veröffentlichung des Reuters-Interviews zum Dollar zu.


    (AWP)

  • EU will die Türkei nicht als Steueroase brandmarken


    (Ausführliche Fassung) - Die Türkei soll vorerst nicht auf die europäische Schwarze Liste für Steueroasen kommen. Darauf einigten sich Experten der EU-Staaten nach Angaben von Diplomaten am Montag. Das Land bleibt somit auf der sogenannten Grauen Liste der Länder, bei denen die EU eine bessere Zusammenarbeit in Steuerfragen in absehbarer Zeit für möglich hält.


    15.02.2021 19:50


    Auf der Schwarzen Liste sind zwölf Staaten mit sehr geringen oder gar keinen Unternehmenssteuern oder solche, die mit der EU nicht gegen Steuerflucht zusammenarbeiten. Darunter sind zum Beispiel Panama oder die Seychellen. Einige EU-Staaten wollten die Türkei auf die Schwarze Liste setzen, weil sie den türkischen Behörden mangelnden Informationsaustausch vorwerfen.


    Die nötige einstimmige Entscheidung aller 27 EU-Staaten kam nach Angaben von Diplomaten jedoch nicht zustande. Die Türkei behält damit mindestens bis Oktober ihren jetzigen Status. Die ursprünglich geplante inhaltliche Debatte der EU-Wirtschafts- und Finanzminister bei ihrer Tagung am Dienstag soll es nicht geben.


    Kritiker halten den Kampf der EU gegen Steuerflucht für weitgehend wirkungslos. Die Entwicklungsorganisation Oxfam fordert, bei einer Reform der Schwarzen Liste Länder ohne und mit sehr geringen Unternehmenssteuern automatisch aufzunehmen. Hohe Quoten von Direktinvestitionen und passiven Einkommen bestimmter Länder sollten als Warnkriterien ausgewiesen werden. Darüber hinaus sollten auch EU-Mitgliedsstaaten dieselben Standards erfüllen müssen, die an Drittstaaten angelegt werden, forderte Oxfam.


    Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant derzeit ein sogenanntes Steueroasen-Abwehrgesetz. Dieses soll Personen und Unternehmen von Geschäften mit Staaten abhalten, die sich nicht an internationale Steuerstandards halten. Massstab ist für Scholz die Schwarze Liste der EU zu Steueroasen.


    Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold hielt Scholz eine "wachsweiche Ankündigungspolitik" vor, da sein neues Gesetz auf Basis der bisherigen EU-Liste wirkungslos bleibe. Nötig seien schärfere Kriterien. Auch Steueroasen in der EU könne man sich nicht länger leisten./vsr/DP/fba


    (AWP)

  • Türkische Notenbank lässt Leitzins unverändert


    Die türkische Notenbank hat ihren Leitzins erneut nicht angetastet. Der Leitzins bleibe bei 17,0 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Ankara mit. An den Finanzmärkten hatten die meisten Analysten diese Entscheidung erwartet. Bereits im Januar hatte sie die Zinsen bestätigt.


    18.02.2021 12:27


    Im Dezember hatte die Notenbank zuletzt die Zinsen im Kampf gegen die Inflation erhöht. Im vergangenen Sommer hatte die Notenbank den Leitzins von 8,25 Prozent auf das jetzige Niveau angehoben. An der restriktiven Geldpolitik solle festgehalten werden, heisst es in einer Mitteilung. Falls nötig könnte sie auch weiter verschärft werden.


    Im vergangenen November hatte es einen Wechsel an der Spitze der türkischen Zentralbank gegeben. Der neue Notenbankchef Naci Agbal gilt als Verfechter einer strafferen Geldpolitik im Kampf gegen die hohe Inflation. Davor hatte die Notenbank sich gegen eine straffere Geldpolitik ausgesprochen und die Zinsen trotz hoher Inflation gesenkt. Vor allem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich damals mehrfach für niedrige Zinsen ausgesprochen.


    Am Devisenmarkt hat sich die Lage für die türkische Lira bereits seit den starken Zinserhöhungen im November und Dezember spürbar entspannt. Nach Rekordtiefs gegenüber dem US-Dollar und dem Euro hat sich die Lira seitdem immer weiter erholt. Auf die aktuelle Entscheidung reagierte die Lira mit leichten Kursgewinnen./jsl/bgf/fba


    (AWP)

  • Erdoğans politischer Nuklearschlag

    Verbotsverfahren gegen HDP


    Die prokurdische HDP ist die drittgrößte Partei im türkischen Parlament. Nun will Präsident Erdoğan sie wegen angeblicher Terrorverbindungen verbieten. Sein Vorstoß zeigt, wie sehr seine Regierung wackelt.


    Es soll so aussehen, als hätte es ihn nie gegeben: Ömer Faruk Gergerlioğlu hat sein Abgeordnetenmandat am Mittwoch gerade erst verloren, da hat die türkische Verwaltung seinen Namen und seine Kontaktdaten bereits aus dem Parlamentsregister gelöscht.


    Im Plenarsaal in Ankara demonstrieren zu diesem Zeitpunkt noch Gergerlioğlus Parteifreundinnen von der linken, pro-kurdischen HDP gegen den Beschluss, den sie als Putsch der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan betrachten. Gergerlioğlu selbst ruft zu einem Sitzstreik auf. »Ich werde Widerstand leisten und nicht zulassen, dass der nationale Wille mit Füßen getreten wird«, sagte er.


    Gergerlioğlu, ein gelernter Arzt, 55 Jahre alt, ist ein engagierter Kämpfer für Menschenrechte in der Türkei. Die Erdoğan-Regierung sieht in ihm hingegen einen Terrorhelfer. Die Justiz legt ihm einen Tweet aus dem Jahr 2016 zur Last, in dem er zu einer friedlichen Lösung des Kurden-Konflikts aufgerufen hatte. Nachdem eine Mehrheit der Abgeordneten für die Aufhebung von Gergerlioğlus Immunität gestimmt hat, soll der HDP-Politiker nun für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.


    »Dieses Verfahren markiert einen neuen Tiefpunkt«


    Der Ausschluss Gergerlioğlus aus dem Parlament war am Mittwoch nur der Auftakt für einen sehr viel umfassenderen Angriff der Regierung auf die HDP. Unmittelbar nach der Abstimmung gab der türkische Oberstaatsanwalt Bekir Sahin bekannt, beim Verfassungsgericht einen Verbotsantrag gegen die Partei eingereicht zu haben.


    Die HDP soll aufgelöst werden. 687 ihrer Mitglieder, darunter die beiden Co-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar, sowie der ehemalige Parteichef Selahattin Demirtaş, sollen aus der Politik verbannt, sämtliche Gelder der Partei beschlagnahmt werden. Es ist der bislang schwerste Schlag der Erdoğan-Regierung gegen die pro-kurdische Demokratiebewegung.


    Die HDP ist die drittgrößte Partei im türkischen Parlament. Sie holte bei der Wahl 2018 elf Prozent der Stimmen. Sahin, der erst vergangenen Juni von Erdoğan als Oberstaatsanwalt eingesetzt wurde, wirft ihr vor, der politische Arm der Terrororganisation PKK zu sein. »Die HDP-Mitglieder haben mit der PKK zusammengearbeitet, um die Einheit der Nation zu zerstören«, teilte er schriftlich mit.


    Die HDP gibt sich kämpferisch. Der Verbotsantrag zeige, wie schwach die Regierung ist, heißt es in einem ersten Statement der Partei. »Sie will uns eliminieren, weil sie uns an der Wahlurne nicht schlagen kann.« Der HDP-Führung dürfte jedoch klar sein, dass sich ein Verbot nur noch schwer verhindern lässt. Erdoğan übt beinahe vollständig Kontrolle über die Justiz aus. Er würde ein Verfahren wie dieses kaum tolerieren, wenn er annehmen würde, dass es vor Gericht scheitern könnte.


    Ein Bann der HDP ist eine Art politischer Nuklearschlag. Die Empörung über den Vorstoß der Regierung reicht quer durch die politischen Lager. »Eine politische Partei, die sechs Millionen Stimmen geholt hat, zu verbieten, bedeutet, den Willen der Wähler zu verachten«, kritisiert der Vorsitzende der muslimisch-konservativen Deva-Partei, Ali Babacan, der einst unter Erdoğan Wirtschaftsminister war. »Diese Regierung hat der Demokratie bereits in jeder erdenklichen Weise geschadet«, sagt der sozialdemokratische Abgeordnete Sezgin Tanrikulu. »Doch dieses Verfahren markiert einen neuen Tiefpunkt.«


    Erdoğans Umfragewerte befinden sich auf einem Tiefpunkt *clapping*


    Parteiverbote haben eine lange, unselige Tradition in der Türkei. Seit 1961 wurden mindestens 20 Parteien geschlossen, darunter in den Neunzigerjahren auch die Refah, die Vorgängerpartei der Erdoğan-Partei AKP. Erdoğan selbst hat Parteiverbote wiederholt als undemokratisch gebrandmarkt. AKP-Vizechef Numan Kurtulmus hat sich noch im vergangenen Jahr gegen einen Bann der HDP ausgesprochen. »In der Türkei ist aus Parteiverboten nie irgendetwas Positives hervorgegangen«, sagte er.


    Die Kehrtwende zeigt, wie groß die Verunsicherung in der Regierung mittlerweile ganz offensichtlich ist. Die türkische Wirtschaft steckt seit Jahren in der Krise, die Corona-Pandemie hat die Not vieler Menschen nur verschärft. Erdoğans Umfragewerte befinden sich auf einem Tiefpunkt. Er hätte derzeit schlechte Chancen, als Präsident wiedergewählt zu werden. »Die Regierung hat Autoritarismus mit Wahlen versucht«, sagt die Historikerin Ayse Hür. »Doch die Probleme sind so groß, dass sie nun die zweite Phase eingeläutet hat, Autoritarismus ohne Wahlen. Was in der dritten Phase kommt, kann ich nicht vorhersagen.«


    Erdoğan wirkt zudem getrieben von seinem rechtsextremen Koalitionspartner, der MHP. Zwar kommt die MHP bei Umfragen auf nur rund sieben Prozent der Stimmen. Doch ihr Einfluss auf die türkische Politik ist zuletzt stetig gewachsen. Es war MHP-Chef Devlet Bahceli, der – anders als Erdoğan – lautstark für ein Verbot der HDP geworben hat.


    »Erdoğan hat die absolute Macht über die Institutionen des Staates, aber er hat nicht die absolute politische Macht«, sagt Sinem Adar, Türkei-Expertin der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP). Der Präsident sei auf das Wohlwollen der MHP angewiesen. »Erdoğan hat sich der MHP ergeben«, sagt der HDP-Parlamentarier Garo Paylan.


    Die Regierung hat die HDP in den vergangenen Jahren konsequent kriminalisiert. Tausende Mitglieder wurden als vermeintliche Terrorhelfer verhaftet, darunter auch die Ex-Vorsitzenden Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtaş. Bürgermeister im mehrheitlich kurdischen Südosten der Türkei wurden ihrer Ämter enthoben. Mit dem Verbotsverfahren gegen die HDP geht Erdoğan dennoch ein großes Risiko ein.


    Parteien gingen in der Vergangenheit oft gestärkt aus solchen Prozessen hervor. Die AKP selbst gewann 2008 durch ein überstandenes Verbotsverfahren an Stimmen hinzu. »Es ist unsere ehrenhafte Pflicht für künftige Generation die HDP zu schließen, sodass sie nie wieder unter einem neuen Namen zurückkehrt«, forderte MHP-Chef Bahceli am Donnerstag.


    Ein Bann der HDP dürfte Millionen Menschen in der Türkei weiter von der Politik entfremden. Schon jetzt fühlen sich vor allem viele Kurden von der Regierung ausgegrenzt und schikaniert, ein HDP-Verbot würde dieses Gefühl nur verstärken. Manche könnten sich als Konsequenz dann tatsächlich radikalen Gruppen wie der PKK anschließen.


    Auch die Beziehungen der Türkei zu Europa und den USA dürften durch das Verfahren gegen die HDP weiter belastet werden. Das US-Außenministerium warnte, ein Verbot der Partei würde die türkische Demokratie »weiter untergraben«. Die EU hat sich zu dem Vorgang bislang nicht geäußert.


    Erdoğan hat in den vergangenen Wochen demonstrativ die Nähe zu den Europäern gesucht. Erst Anfang März hat er einen neuen Menschenrechtsplan vorgestellt. Nun zeigt sich, wie wenig seine Worte wert sind.



    Türkei - Verbotsverfahren gegen HDP: Recep Tayyip Erdoğans politischer Nuklearschlag (msn.com)

  • Türkische Notenbank hebt Leitzins überraschend deutlich an


    Die türkische Notenbank hat ihren Leitzins überraschend deutlich angehoben. Der Leitzins steige um 2,0 Prozentpunkte auf 19,0 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Ankara mit.


    18.03.2021 12:37


    An den Finanzmärkten war im Schnitt nur mit einer Leitzinsanhebung auf 18,0 Prozent gerechnet worden. Im Dezember hatte die Notenbank den Leitzins auf 17,0 Prozent erhöht und ihn dann zwei Mal bestätigt.


    An der restriktiven Geldpolitik solle festgehalten werden, heisst es in einer Mitteilung der Notenbank. Falls nötig könnte sie auch weiter verschärft werden. Die wirtschaftliche Entwicklung sei robust.


    Die Notenbank verwies auf Aufwärtsrisiken bei der Entwicklung der Verbraucherpreise. Zuletzt hatte die Inflation in der Türkei wieder angezogen. Im Februar war die Jahresrate auf über 15 Prozent gestiegen. Auch die türkische Lira war angesichts der Stärke des US-Dollar unter Druck geraten.


    Im vergangenen Sommer hatte der Leitzins noch bei 8,25 Prozent gelegen und wurde dann in der zweiten Jahreshälfte auf das höhere Niveau angehoben. Dies war eine Kehrtwende in der Politik der Notenbank. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich lange für niedrige Zinsen ausgesprochen.


    Nach der Veröffentlichung der Zinsentscheidung legte die türkische Lira zu US-Dollar und Euro deutlich zu. Die Kurse von in Dollar gehandelten türkischen Staatsanleihen stiegen ebenfalls.


    (AWP)

  • Experten erwarten Zinssenkung in Türkei nicht vor Jahresende


    Nach der überraschend kräftigen Zinserhöhung in der Türkei rechnen Experten frühestens am Jahresende wieder mit einer leichten Senkung.


    19.03.2021 10:34


    Nicht vor dem vierten Quartal dürfte ein Schritt nach unten folgen, sagten etwa die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs am Freitag voraus. Sie rechnen am Jahresende mit einem Leitzins von 18,0 Prozent.


    Die Notenbank hatte ihn am Donnerstag unerwartet von 17,0 auf 19,0 Prozent erhöht. Dieser Schritt könnte dem erst seit November 2020 im Amt befindlichen Zentralbankchef Naci Agbal - der die Inflation bekämpfen will - mehr Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten verleihen. Höhere Zinsen stärken die Landeswährung Lira, was Importe verbilligt und damit den Preisauftrieb dämpft. Wegen steigender Inflationserwartungen habe er die Straffung der Geldpolitik "vorgezogen", erklärte Agbal seinen Kurs.


    Die Teuerungsrate lag zuletzt bei fast 16 Prozent. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat vorige Woche angekündigt, die notorisch hohe Inflation zu bekämpfen. "Das Ziel ist eine einstellige Inflation", sagte er.


    (Reuters)

  • Devisen: Türkische Lira stürzt ab nach Entlassung des Notenbankchefs


    Die türkische Lira ist nach der Entlassung des Notenbankchefs des Landes auf Talfahrt gegangen. Am Montagmorgen wurde ein US-Dollar für 7,78 Lira gehandelt. Damit ist der Kurs im Vergleich zum Freitag um knapp acht Prozent abgerutscht. In der vergangenen Nacht war der Kurseinbruch zeitweise noch heftiger ausgefallen: bis auf 8,47 Lira mussten für einen Dollar gezahlt werden. Damit lag die türkische Währung nur knapp unter dem Rekordtief, das im vergangenen November bei 8,57 Lira für einen Dollar erreicht worden war.


    22.03.2021 07:40


    Der drastische Kurseinbruch zu Wochenbeginn zeigte sich auch im Handel mit dem Euro. Am Morgen wurden für einen Euro 9,25 Lira gezahlt, was einem Kurseinbruch von knapp acht Prozent entsprach. Hier wurde das Rekordtief ebenfalls im vergangenen November bei 10,20 Lira für einen Euro erreicht.


    Auslöser für die rasante Talfahrt ist ein Wechsel an der Spitze der türkischen Notenbank. In der Nacht zu Samstag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Zentralbankchef Naci Agbal entlassen. Die Entscheidung erfolgte nur wenige Tage nachdem die türkische Notenbank den Leitzins überraschend deutlich um 2,0 Prozentpunkte auf 19,0 Prozent angehoben hatte. Neuer Notenbankchef wird der staatliche Nachrichtenagentur Anadolu zufolge Sahap Kavcioglu, ehemaliger Abgeordneter von Erdogans Regierungspartei AKP.


    Agbal hatte in seiner kurzen Amtszeit versucht, mit den Zinserhöhungen die drastische Inflation in der Türkei unter Kontrolle zu bekommen. Erdogan hatte sich hingegen immer wieder für niedrige Zinsen ausgesprochen. Agbal war erst Anfang November als Zentralbankchef eingesetzt worden.


    /jkr/mis


    (AWP)

  • Erdogan löst „Lira-Blutbad“ aus

    Kurssturz in der Türkei


    Erdogan löst „Lira-Blutbad“ aus - und ruft jetzt Türken zu Investitionen auf


    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinen Zentralbankchef gefeuert - den dritten in nur zwei Jahren. Er löste damit ein Beben an der Börse aus. Experten sprechen von einem "Blutbad für die türkische Lira". Als Reaktion ruft der Präsident seine Landsleute auf, ihre angehäuften Devisen- oder Goldbestände zur Ankurbelung der Wirtschaft zu investieren.


    Sein Appell richte sich an Bürger, „die zu Hause ausländische Währung und Gold aufbewahren, nur um sich sicher zu fühlen“. Beim Parteikongress seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP sagte Erdogan am Mittwoch in Ankara: „Von diesen, meinen Bürgern möchte ich, dass sie die Devisen und das Gold in ihren Häusern, was unser nationales Vermögen ist, in verschiedene Finanzmittel investieren und es damit in die Wirtschaft und Produktion einbringen.“ Er rief Investoren zudem dazu auf, in die Türkei zu vertrauen.


    Erdogan entlässt Notenbankchef - „Blutbad für die türkische Lira“


    Die türkische Landeswährung Lira und die Börsenkurse in Istanbul waren zu Wochenbeginn drastisch eingebrochen. Auslöser war die Entlassung von Notenbankchef Naci Agbal durch Erdogan am Wochenende.

  • Türkei: Im freien Fall

    In der Türkei schwindet wegen der desaströsen Wirtschaftslage die Unterstützung für den Präsidenten.


    Zwei Seiten von Istanbul: hier das vornehme Şişli im Zentrum, und da Sultangazi, ein Rand-bezirk, vorwiegend konservativ, eher arm, viele syrische Flüchtlinge. In Şişli stehen die gut gebildeten Menschen Schlange vor einer Galerie, in Sultangazi stehen sie Schlange vor den Buden der "Volksbrot"-Bäckerei, wo das von der Stadtverwaltung subventionierte Brot nur die Hälfte des Supermarktpreises kostet. Die zweite Schlange sieht man derzeit deutlich häufiger. "Es gab viele Krisen in diesem Land", sagte der Chef von Volksbrot kürzlich, ein Mitglied der oppositionellen CHP-Partei, "aber solche Schlangen wie heute haben wir in den vergangenen 40 Jahren nicht gesehen."


    Vielen Türken geht es schlecht, sie haben ihre Jobs verloren, das Geld reicht nicht mehr, um über die Runden zu kommen. Wegen der Corona-Pandemie stockt der Konsum, der Wert der Lira stürzt ab. Wie schlimm steht es in Corona-Zeiten um die türkische Wirtschaft, für deren Blühen sich Präsident Erdoğan immer rühmte? Sein Versprechen "Wohlstand für alle" war für viele Türken der Hauptgrund, ihn zu wählen.


    Ahmet Saymadı hatte eigentlich einen guten Plan: Der 41-Jährige schmiss seinen alten Job als Zöllner, um im Istanbuler Ausgehviertel von Beyoğlu eine meyhane zu eröffnen. Meyhanes sind traditionelle Tavernen, in denen Alkohol, meist Rakı oder Bier, ausgeschenkt und dazu kleine Speisen serviert werden. Eine gut laufende meyhane ist für ihren Besitzer eigentlich eine sichere Geldquelle, denn wer seinen Abend dort als Gast verbringt, der sitzt da bis tief in die Nacht – und konsumiert. Im Oktober 2019, so erzählt es Saymadı, habe er die Speisewirtschaft übernommen. Wer rechnete damals schon damit, dass nur wenige Monate später die Pandemie ausbrechen würde?


    "Nun stehen wir bereits vor unserer dritten Schließung", berichtet er am Telefon. Von März bis Juni 2020, von November bis zum März 2021. Nun herrscht eine Ausgangsbeschränkung ab 21 Uhr – eine Zeit, zu der man frühestens mit der Vorspeise zugange ist.


    ZEIT ONLINE


    Die Behörden reagieren auf den Corona-Anstieg im Land, mehr als 42.308 Neuinfektionen an einem Tag zählten sie am 2. April. Saymadı kann angesichts der Pandemie nur noch halb so viele Gäste in sein Restaurant lassen wie zuvor. Die Einnahmen sind gering. "Die Leute achten sehr aufs Geld, sie trinken weniger", sagt er. Und trinken ist ohnehin teuer in der Türkei, auch in normalen Zeiten, weil die konservative Regierung laufend die Konsumsteuer auf Alkohol erhöht – nicht so sehr wegen des Glaubens, sondern wegen der Jagd nach Einnahmen. Es ist eine pragmatische Entscheidung: Jene, die trinken, kann die Regierung sowieso nicht als Wähler gewinnen, also veranschlagt sie große Summen.


    Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 15/2021. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen.


    Nun hat die Regierung neue Maßnahmen für den Ramadan-Monat veröffentlicht, der dieses Jahr am 13. April beginnt, traditionell eine Zeit, in der die Straßen und Geschäfte nach dem Iftar, dem abendlichen Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, voll sind. Aber die Restaurants und Cafés dürfen höchstens einen Mitnehmservice anbieten.


    Eine meyhane funktioniert so nicht. Da geht man hin, um zu sitzen und mit anderen zu trinken. Für Ahmet Saymadı und seine Mitarbeiter heißt das: Wieder für mindestens vier Wochen schließen. Wieder muss er nachdenken, wie und ob er weitermachen kann. Da sind die Miete, die Stromrechnung, der Internetanschluss, alles Kosten, die er weiterhin bezahlen muss. Auch das Gehalt der Mitarbeiter, zwar gekürzt, aber man muss die Leute ja trotzdem bezahlen, findet Saymadı. Er nehme ständig Kredite auf, um seine Kosten zu decken.



    https://www.zeit.de/2021/15/tu…ket.com%2Frecommendations

  • Türkei: Leitzins bleibt trotz hoher Inflation unverändert


    Die türkische Notenbank hat die Zinsen trotz hoher Inflation nicht verändert. Der Leitzins bleibe unverändert bei 19,0 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Ankara mit.


    15.04.2021 13:30


    Die geldpolitische Entscheidung war am Markt erwartet worden, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zuletzt für einen Wechsel an der Spitze der Notenbank gesorgt hatte. Der Vorgänger des derzeit amtierenden Notenbankchefs Sahap Kavcioglu hatte in den vergangenen Monaten mehrfach mit Zinserhöhungen versucht, den starken Preisanstieg in der Türkei in den Griff zu bekommen.


    Der türkische Präsident hatte im März zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate den Chef der Zentralbank entlassen. Erdogan drängte in den vergangenen Monaten immer wieder auf niedrige Zinsen und bezeichnete den Leitzins oft als "Mutter allen Übels". Schon in der Vergangenheit waren Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufgekommen.


    Laut jüngsten Daten lag die Inflation in der Türkei im März bei über 16 Prozent. Seit etwa zwei Jahren legt die Inflationsrate in dem Schwellenland tendenziell zu. In diesem Zeitraum hat sich die Rate ausgehend von etwa 8 Prozent in etwa verdoppelt.


    Am Devisenmarkt reagierte die türkische Lira mit Kursverlusten auf die Zinsentscheidung. Ein US-Dollar wurde für 8,15 Lira gehandelt. Die Lira hat damit im Vergleich zum Vortag fast ein Prozent an Wert verloren.


    (AWP)

  • Mafiaboss hält Türkei in Atem

    Ein Mafiaboss hält mit seinen Enthüllungen die Türkei in Atem


    Aus dem Exil veröffentlicht ein landesweit bekannter Krimineller Videobotschaften und bringt damit hochrangige türkische Politiker in Erklärungsnot. Das organisierte Verbrechen war immer ein Faktor in der türkischen Politik.


    Die Filmindustrie in der Türkei boomt. Netflix lässt eine Serie nach der anderen für den türkischen Markt produzieren. Besonders gross ist die Nachfrage im Ramadan. Und wenn, wie in den vergangenen Wochen, zum Fastenmonat auch noch eine strikte Ausgangssperre hinzukommt, gilt das erst recht. Zurzeit ist in der Türkei die Realität aber aufregender als jedes Krimi-Drehbuch. Keine Serienfolge wird mit grösserer Spannung erwartet als die nächste Wortmeldung des flüchtigen Mafiabosses Sedat Peker.


    Der landesweit bekannte Kriminelle, der wegen Mordes im Gefängnis war, hat seit Anfang Mai auf seinem Youtube-Kanal fünf lange Videos veröffentlicht. Darin erhebt er zum Teil brisante Anschuldigungen. Aus dem Dubaier Exil erzählt Peker in jovialem Ton und mit offenem Hemd über Verwicklungen hoher Politiker und Staatsangestellter in kriminelle Machenschaften. «Ihr werdet von einer Kamera auf einem Stativ besiegt werden», so kündigte er eines seiner Videos drohend auf Twitter an.


    Innenminister Soylu in der Schusslinie


    Das prominenteste Ziel ist Innenminister Süleyman Soylu, den Peker ironisch «Süleyman den Sauberen» nennt. Standesgemäss lag während der inkriminierenden Ausführungen der Roman «Narren sterben» von Mario Puzo auf Pekers Schreibtisch. Puzo ist auch der Autor des Mafia-Klassikers «Der Pate».



    Peker sagt, der Innenminister habe ihn vor bevorstehenden Razzien gewarnt. Auch sei Soylus Rücktrittsangebot im vergangenen Frühjahr nach der überhasteten Ankündigung der ersten Ausgangssperre von langer Hand geplant gewesen.


    Auf den sozialen Netzwerken wurden damals innert kurzer Zeit mehr als eine Million Nachrichten verschickt, die Soylu zum Bleiben aufforderten. Präsident Erdogan lehnte daraufhin den Rücktritt ab, wodurch die Position des Innenministers deutlich gestärkt wurde. Peker sagt, er habe die Kampagne mit seinen Leuten unterstützt.


    Ein Rückfall in alte Zeiten


    Soylu spricht von einer üblen Verleumdung. Auch der regierungsnahe Journalist Hadi Özisik, der laut Peker als Mittelsmann zwischen ihm und Soylu fungierte, stritt am Dienstagabend im Fernsehen alles ab. Nur wenige Minuten darauf veröffentlichte der Mafiaboss jedoch die Aufzeichnung eines Videogesprächs, das er mit Özisik geführt hatte. Ein türkischer Medienschaffender kommentierte lakonisch, während in anderen Staaten Kriminelle von Journalisten überführt würden, sei es in der heutigen Türkei genau umgekehrt.


    Über den Wahrheitsgehalt von Pekers Anschuldigungen kann derweil nur spekuliert werden. Der amerikanische Türkeiexperte Ryan Gingeras, der ein Standardwerk über die türkische Mafia geschrieben hat, sagte kürzlich, entscheidend sei, dass man in der türkischen Öffentlichkeit solche Verstrickungen zwischen organisiertem Verbrechen und Politik überhaupt für möglich halte.


    Für Erdogan ist das ein Problem. In ihren ersten Regierungsjahren hatte seine AKP mit dem Versprechen gepunktet, mit den Machenschaften der 1990er Jahre aufzuräumen, als die Politik von mehreren Mafia-Skandalen erschüttert wurde. Die gegenwärtige Affäre ist für Regierungsgegner ein Beleg, dass Erdogans Partei nach zwei Jahrzehnten an der Macht selbst für viele der Missstände steht, die sie einst bekämpfte.


    Mafia kämpft gegen Staatsfeinde


    Einer breiteren Öffentlichkeit war der tiefe Staat, wie die Vermengung zwischen Geheimdienst, Politik und organisiertem Verbrechen in der Türkei genannt wird, 1996 bekanntgeworden. Damals kamen bei einem Autounfall der Polizeichef von Istanbul und ein international gesuchter Drogenhändler und Auftragsmörder ums Leben.


    Anekdotische Hinweise gab es aber auch schon früher. Bei einem Besuch von Ministerpräsident Süleyman Demirel in den USA war der Drogenbaron Mehmet Nabi Inciler Teil der offiziellen Delegation und reiste sogar nach Chicago, um am Grab von Al Capone einen Kranz abzulegen.


    Es ist ein offenes Geheimnis, dass der türkische Staat im Kampf gegen linke, kurdische und armenische Gruppierungen in der Vergangenheit auch auf nationalistisch gesinnte Mafiabanden zurückgriff. Als Gegenleistung wurde bei deren kriminellen Machenschaften das eine oder andere Mal ein Auge zugedrückt.


    Notorisch sind die Verbindungen der Grauen Wölfe, der Miliz der ultranationalistischen MHP, zur Unterwelt. Es gibt aber auch Mafia-Clans, die mit der kurdischen PKK oder anderen linken Gruppierungen paktierten.


    Der Wiener Politologe Walter Posch sagt, dass in gewalttätige politische Konflikte mitunter auch kriminelle Verteilungskämpfe hineinspielen. Die Bedeutung des türkischen Drogengeschäfts werde besonders im Westen sträflich unterschätzt, sagt Posch, der an der Landesverteidigungsakademie des Österreichischen Bundesheers forscht und die organisierte Kriminalität in der Türkei seit längerem verfolgt.


    Machtkampf im Regierungslager?


    Auch bei Pekers Video-Aktion stellt sich die Frage nach dem wahren Hintergrund. Im April gingen die türkischen Sicherheitskräfte mit Razzien gegen sein Netzwerk vor, auch die Familienvilla in Istanbul wurde durchsucht. Bemerkenswert ist dabei, dass Peker überhaupt ins Visier genommen wurde.


    Denn bis vor einem Jahr lebte er trotz seinem zwielichtigen Ruf unbehelligt in der Türkei. Insbesondere nach dem Putschversuch von Juli 2016 trat er mehrmals als lautstarker Unterstützer Erdogans auf. Sein Stern sank jedoch, als eine andere prominente Figur der türkischen Unterwelt an die Öffentlichkeit zurückkehrte.


    Im vergangenen Frühjahr wurde im Zuge einer Amnestie der Mafiaboss Alaattin Cakici freigelassen. Dies geschah auf Ersuchen von Devlet Bahceli, dem Chef von Erdogans ultranationalistischem Koalitionspartner MHP. Cakici ist Mitglied der berüchtigten Grauen Wölfe.


    Dass Erdogan den verurteilten Mörder freiliess, der ihn in der Vergangenheit sogar öffentlich beleidigt hatte, galt vielen als Beleg für den wachsenden Einfluss der MHP in der Regierungskoalition. Auch Innenminister Soylu steht den Kreisen um die MHP nahe.


    In der Türkei spekuliert man deshalb, ob es sich um einen Machtkampf im Regierungslager, um die persönliche Abrechnung eines Kriminellen oder um beides zusammen handelt. Allein schon, dass alle Optionen in Betracht gezogen werden, wirft kein gutes Licht auf die Zustände im Land.

  • Türkei: Erdogan tauscht erneut Zentralbanker aus


    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat erneut über Nacht bei der Führung der Zentralbank einen Wechsel vorgenommen.


    25.05.2021 04:50


    Einer der vier stellvertretenden Gouverneure, Oguzhan Ozbas, sei entlassen worden und Semih Tumen trete seine Nachfolge an, heißt es am frühen Dienstagmorgen in einem im Amtsblatt veröffentlichten Dekret. Tumen dient derzeit als Berater Erdogans und ist Leiter der Wirtschaftsabteilung an der TED-Universität in Ankara. Er war bereits zwischen 2002 bis 2018 in verschiedenen Positionen bei der türkischen Zentralbank tätig.


    Im März erzwang Erdogan den Wechsel an der Spitze der Zentralbank: Währungshüter Naci Agbal wurde zwei Tage nach einer Zinserhöhung zur Eindämmung der Inflation durch einen Vertreter der Regierungspartei ersetzt. Der Schritt führte zum Absturz der türkischen Lira.


    (Reuters)

  • Türkische Lira fällt auf Rekordtief


    Der Wertverfall der türkischen Währung geht weiter. Am Freitag fiel der Kurs der Lira im Handel mit dem US-Dollar und dem Euro jeweils auf Rekordtiefstände.


    28.05.2021 10:10


    Am Vormittag wurden für einen Dollar bis zu 8,5981 Lira gezahlt und damit so viel wie noch nie. Für einen Euro mussten bis zu 10,4745 Lira gezahlt werden und damit ebenfalls so viel wie nie.


    Die Lira ist seit geraumer Zeit stark unter Druck. Zuletzt hatte die Talfahrt wieder Fahrt aufgenommen, nachdem die Führung der Zentralbank entlassen worden war. Damit hat sich die Hoffnung auf eine konsequente Inflationsbekämpfung in der Türkei zerschlagen. Der Vorgänger des amtierenden Notenbankchefs hatte in einer kurzen Amtszeit seit dem vergangenen November versucht, mit Zinserhöhungen gegen die steigende Inflation anzukämpfen und konnte den Kurs der Währung zeitweise stabilisieren.


    Die Türkei befindet sich derzeit in einer Spirale aus einer vergleichsweise hohen Inflation und einer Währung, die immer stärker abwertet. Im April war die Inflationsrate auf etwas über 17 Prozent gestiegen.


    (AWP)

  • Milliardenschweres Devisentausch-Geschäft mit China

    Erdogan präsentiert milliardenschweres Devisentausch-Geschäft mit China


    Die Türkei hat ihre Währungsgeschäfte mit Handelspartner China ausgeweitet.


    Präsident Recep Tayyip Erdogan gab am Sonntag eine neue Devisentausch-Vereinbarung der heimischen Notenbank im Wert von 3,6 Milliarden Dollar bekannt. Damit erhöht sich das mit China abgesprochene Gesamtvolumen auf sechs Milliarden Dollar.


    Die Türkei könnte dadurch ihre Fremdwährungsreserven deutlich aufpolstern. Diese waren im vergangenen Jahr um 75 Prozent eingebrochen. Hintergrund ist vor allem die Schwäche der heimischen Lira. Staatliche Banken verkauften massenweise fremde Währungen, um den Kurs der Lira zu stützen.


    (Reuters)

  • Türkei: Leitzins bleibt trotz hoher Inflation unverändert


    Die türkische Notenbank hat die Zinsen trotz hoher Inflation nicht verändert. Der Leitzins bleibe bei 19,0 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Ankara mit. Dies war von Analysten erwartet worden.


    17.06.2021 14:07


    Die Zentralbank hat jedoch den Text, der ihre Zinsentscheidung begleitet, leicht verschärft. "In Anbetracht der hohen Inflationsraten und Inflationserwartungen wird der derzeitige straffe geldpolitische Kurs entschieden beibehalten, bis der im April prognostizierte deutliche Rückgang der Inflation erreicht ist", heisst es in der Mitteilung. Das Adverb "entschieden" war bisher nicht enthalten.


    Präsident Recep Tayyip Erdogan hingegen spricht sich immer wieder gegen Leitzinserhöhungen aus. Zuletzt forderte er erneut eine baldige Zinssenkung. Zentralbankchef Sahap Kavcioglu machte hingegen deutlich, dass er die Zinsen nicht vorzeitig senken werde und der Markt ein solches Risiko auspreisen sollte. In der Vergangenheit waren Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufgekommen.


    Im März wurde Notenbankchef Naci Agbal ausgewechselt, der zuvor versucht hatte, mit Zinserhöhungen die Inflation zu bekämpfen. Erdogan setzte Kavcioglu ein, der ein Anhänger seiner Wirtschaftspolitik ist. Ende Mai wurde Vizechef Oguzhan Ozbas gefeuert.


    Die Inflation in der Türkei hat im Mai bei rund 17 Prozent gelegen. Seit etwa zwei Jahren legt die Inflationsrate tendenziell zu. In diesem Zeitraum hat sich die Rate ausgehend von etwa 8 Prozent mehr als verdoppelt. Die Notenbank strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von fünf Prozent an./jsl/bgf/jha/


    (AWP)

  • EU will neue Zollunion und Migrationspakt mit Türkei


    Die EU strebt den Abschluss einer modernisierten Zollunion mit der Türkei an und will das Migrationsabkommen mit dem Land erneuern.


    25.06.2021 07:02


    Das beschlossen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend in Brüssel. In der Gipfelerklärung wird dabei nach Jahren der Spannung ein deutlich positiver Ton gegenüber Ankara angeschlagen und die Deeskalation im Gasstreit im östlichen Mittelmeer gewürdigt. Vor dem Gipfel hatten sich bereits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Kanzlerin Angela Merkel für eine Erneuerung des Zollunion-Abkommens und einen neuen Migrationspakt ausgesprochen. Die Türkei pocht seit langem auf eine Erneuerung der Zollunion mit der EU, das eigentlich schon im Migrationsabkommen von 2015 zugesagt worden war. Vor allem die beiden EU-Mitglieder Griechenland und Zypern hatten aber Fortschritte blockiert, weil sie ihrerseits der Türkei eine Eskalation im Streit um Gasförderungen im östlichen Mittelmeer vorwarfen.


    Nun sollen die technischen Vorarbeiten für Arbeiten am Zollabkommen beginnen. Die EU pocht weiter auf eine Lösung im Zypernkonflikt, in dem die türkische Armee im Norden der Insel stationiert ist. Sie ermahnt die Türkei zudem, sich an Rechtsstaats- und Demokratieprinzipien zu halten und die Rechte von Frauen zu akzeptieren. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Union der Türkei bei einem bis 2024 verlängerten Migrationsabkommen 3,5 Milliarden Euro für die Unterbringung von rund 3,7 Millionen syrischen Flüchtlingen zahlen sollte. Im Gegenzug soll die Türkei illegale Migration über die Grenzen zu Griechenland und Bulgarien verhindern helfen. Aus dem 2015 geschlossenen ersten Migrationspakt erhält die Türkei für die Versorgung der Flüchtlinge sechs Milliarden Euro, von denen nach Angaben der Kommission 4,1 Milliarden bisher ausgezahlt wurden.


    (Reuters)

  • Türkei: Leitzins bleibt trotz hoher Inflation unverändert


    Die türkische Notenbank hat die Zinsen wie erwartet nicht verändert. Der Leitzins bleibe bei 19,0 Prozent, teilte die Notenbank am Mittwoch in Ankara mit. Analysten hatten im Schnitt mit dieser Entscheidung gerechnet. Seit März wurde der Leitzins trotz einer vergleichsweise hohen Inflation nicht verändert. In der Türkei lag die Inflationsrate im Juni bei 17,5 Prozent.


    14.07.2021 13:55


    Im März wurde Notenbankchef Naci Agbal ausgewechselt, der bis dahin mit Zinserhöhungen gegen die starke Inflation ankämpfte. Präsident Recep Tayyip Erdogan setzte Sahap Kavcioglu ein, der ein Anhänger seiner Wirtschaftspolitik ist.


    Wie bereits im Juni machte die Notenbank in der aktuellen Stellungnahme zur Zinsentscheidung deutlich, dass der geldpolitische Kurs entschieden fortgesetzt werde, bis der im April prognostizierte deutliche Rückgang der Inflation erreicht sei. Präsident Erdogan hatte sich mehrfach gegen Zinserhöhungen ausgesprochen und forderte sogar eine Senkung. In der Vergangenheit waren immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufgekommen./jkr/jsl/jha/


    (AWP)