Die «Nifty Fifty»-Blase
Ende der 1960er-Jahre setzen Anleger euphorisch auf wachstumsstarke Qualitätsaktien. Auch die höchsten Preise wirken nicht abschreckend – mit fatalen Folgen.
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1. Finanzielle Repression
Die Aktienmärkte reflektieren die erfreuliche Wirtschaftslage. Von 1958 bis Ende 1965 avanciert der US-Leitindex S&P 500 um rund 140%. Das sind 11% pro Jahr. Doch in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts macht sich plötzlich Inflationsdruck bemerkbar, der Börsenmotor stottert.
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2. Einfache Entscheidung
Aktien dieser Unternehmen, so die Überzeugung, kauft man und hält sie für immer im Depot. Deshalb werden sie auch «One Decision»-Aktien genannt: Anleger müssen demnach lediglich eine Entscheidung – nämlich den Kauf – fällen und sich keine weiteren Gedanken mehr über ihr Investment machen.
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3. I’m a Believer
Die Rechnung geht auf, die Investoren werden für ihre Titelselektion belohnt: Allein 1965, als der Gesamtmarkt in eine breite Seitwärtsbewegung übergeht, überflügeln die Nifty Fifty den S&P 500 um rund 20%. Im folgenden Jahr schneidet die Gruppe um fast 25% besser ab. Die Monkees singen «I’m a Believer» und immer mehr Investoren werden ebenfalls zu Gläubigen. Auch im folgenden Jahr steigen die Nifty. 1968 folgt erstmals ein Rückschlag, der den Aufwärtstrend jedoch nicht nachhaltig zu bremsen vermag. Bereits 1969 nimmt die Aufwärtsbewegung wieder Fahrt auf, die Nifty Fifty schlagen den S&P 500 um über 30%. Die Bewertungen stossen in immer höhere Sphären vor.
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4. Hohe Bewertung, tiefer Fall
Im Höhepunkt der Euphorie Ende 1972 zeigt sich jedoch ein krasses Auseinanderdriften in den Bewertungen zwischen Nifty-Fifty-Aktien und Gesamtmarkt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von durchschnittlich beinahe 45, einem Kurs-Buch-Verhältnis von über acht und einer Dividendenrendite von mickrigen 1% erreicht die Bewertung extreme Werte. Zum Vergleich: Der S&P 500 handelt damals zu einem KGV von 18 und wirft eine Dividendenrendite von 2,7% ab.
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5. Schick in den Abgrund
Erst im Oktober 1974 findet der S&P 500 bei 62,28 Punkten den Boden – ein Verlust von 48%. Obschon sie im Ruf stehen, solide und verlässlich zu sein, erwischt es die Nifty Fifty noch viel heftiger als den breiten Markt. Die Aktie Coca-Cola, Inbegriff der Stabilität, büsst vom Ende 1972 erreichten Höchst innerhalb von zwei Jahren rund 70% ihres Werts ein. Mit einem Einbruch von knapp 60% muss auch IBM kräftig Federn lassen. Avon (–86%), Polaroid (–91%) und Xerox (–71%) ergeht es nicht besser. Über die folgenden acht Jahre bleiben die Nifty Fifty 33% hinter dem S&P 500 zurück und geben damit einen Grossteil der in den Jahren zuvor erzielten Outperformance wieder preis.
Der Börsenkurs von Polaroid, der mit Abstand teuersten Aktie Ende 1972, fällt in den folgenden Jahren auf gerade noch 5 Cents. Im Oktober 2001 meldet das Unternehmen Konkurs an.
Viele Anleger lernen auf schmerzhafte Weise, dass ein gutes Unternehmen nicht gleichbedeutend ist mit einer guten Investition. Es kommt immer auf den dafür bezahlten Preis an.