Fed-Chefs wollen den Powell-Put
Als Alan Greenspan die Federal Reserve leitete, gelangten Anleger zur Überzeugung, dass sie auf die Zentralbank zählen können, um einen Börsencrash zu verhindern. Das war der so genannte Greenspan-Put.
29.07.2018 10:50
Jetzt steht der Vorsitzende Jerome Powell unter Druck, einen eigenen Put zu akzeptieren, der diesmal jedoch an den Anleihemarkt gekoppelt wäre. Einige Fed-Regionalbankpräsidenten wollen, dass die Zentralbank Vorsicht bei den Zinserhöhungen walten lässt, um zu verhindern, dass die kurzfristigen Treasury-Renditen über die langfristigen steigen. Als Argument wird von diesen geldpolitischen Entscheidungsträgern angeführt, dass eine solche Inversion der Renditekurve sich als verlässlicher Vorbote vergangener Rezessionen erwiesen hat.
Zwar hat Powell Verständnis für ihre Sorgen, aber er scheint nicht geneigt zu sein sich auf die Idee einzulassen, mit dem geldpolitischen Kurs ein Umkippen der Kurve zu vermeiden. "Er hat ihre Bedenken zur Kenntnis genommen, aber nicht angenommen", sagt Lou Crandall, Chefökonom bei Wrightson ICAP LLC.
Unter dem Greenspan-Put - dessen Existenz vom damaligen Fed-Chef bestritten wurde - erwarteten Investoren, dass die Fed die Zinsen senken wird, wenn der Aktienmarkt Zeichen für einen Kollaps zeigt. Ein Powell-Put würde auf dem Anleihemarkt ähnlich funktionieren. Sollte die Renditekurve invers werden, so würde von der Fed erwartet, die Zinsen zu senken, was die Kurse von Staatsanleihen mit kürzeren Laufzeiten anschieben und ihre Renditen drücken würde.
Powell und seine Fed-Kollegen tagen am 31. Juli und 1. August. Zwar gehen die Anleger davon aus, dass die US-Notenbank nächste Woche ihre Politik unverändert belassen wird, jedoch sehen sie eine gute Chance, dass sie in der zweiten Jahrehälfte 2018 die Zinsen anheben wird - trotz der Attacken von Präsident Trump.
Kurzfristige Renditen stärker gestiegen als die langfristigen
Da bei den Anlegern in diesem Jahr die Überzeugung zugenommen hat, dass die Fed die Zinsen weiter erhöhen wird, hat sich die Renditekurve abgeflacht, wobei die kurzfristigen Renditen stärker gestiegen sind als die langfristigen. Dieser Trend ist in den letzten Tagen unterbrochen gewesen durch Trumps Verunglimpfung der Fed und durch Spekulationen, dass die japanische Notenbank ihre Unterstützung der japanischen und globalen Anleihemärkte zurückfahren wird.
Die Fed-Präsidenten haben die diesjährige Abflachung der Kurve genutzt, um zu argumentieren, dass die Zentralbank Vorsicht walten dabei lassen sollte, die Zinsen viel weiter zu erhöhen, um eine Inversion zu vermeiden. Die historische Entwicklung ist auf ihrer Seite: In den letzten 50 Jahren sind die USA nach dem Umkippen der Kurve innerhalb von ein bis zwei Jahren stets in eine Rezession abgerutscht.
"Angesichts der zahmen US-Inflationserwartungen ist es unnötig, die Normalisierung der Geldpolitik so weit voranzutreiben, dass die Renditekurve invers wird", sagte der Präsident der St. Louis Fed, James Bullard, in Glasgow, Kentucky, am 20. Juli.
Powell versuchte in der vergangenen Woche, den Fokus auf die Kurve allein wegzulenken. Er sagte, es sei klar, warum die kurzfristigen Renditen gestiegen seien: Die Fed erhöht die Zinsen. Wichtig sei, "was mit den längerfristigen Zinsen passiert" und was das über den geldpolitischen Kurs aussagt.
Wo liegt die neutrale Fed-Funds-Rate?
Bei der Anhebung des Leitzinsziels, der Fed Funds Rate, auf 1,75 bis 2 Prozent im Juni bezeichnete die Fed ihre Politik als akkommodierend und weiterhin unterstützend für die Wirtschaft.
Die Mitglieder des Offenmarktausschusses haben die neutrale Fed-Funds Rate - die Rate, die das Wachstum weder fördert noch hemmt - auf 2,9 Prozent festgelegt, wie aus ihrer Median-Projektion hervorgeht, die im Juni veröffentlicht wurde. Der ehemalige Fed-Notenbanker und Partner von Cornerstone Macro LLC Roberto Perli sagte indes, die Märkte scheinen den neutralen Satz mit rund 3,25 Prozent etwas höher zu sehen.
Auf den ersten Blick würde dies bedeuten, dass die Fed die Zinsen erhöhen und die Kurve umkehren könnte - die Rendite der 10-jährigen Treasuries liegt jetzt bei etwa 2,94 Prozent - ohne sich Sorgen machen zu müssen, die Wirtschaft zu stark zu beschränken.
"Eine Zinskurve, die flach oder invers ist, bedeutet nicht, dass die Politik so straff ist, dass wir in die Nähe des neutralen Bereichs geraten", sagte der Yale-Universitätsprofessor William English, der im vergangenen Jahr als Sonderberater des Fed-Boards zurückgetreten ist.
Fed-Gouverneurin Lael Brainard hat im Mai durchblicken lassen, dass eine inverse Kurve heutzutage vielleicht nicht so viel Sorge bereitet. Das liege daran, dass die langfristigen Zinssätze historisch gesehen "sehr niedrig" sind, so dass es also nicht viel braucht, um die Kurve umzudrehen.
Anleihekäufe
Massive Anleihekäufe der Fed und anderer Zentralbanken haben die längerfristigen Renditen gedrückt. Diese Käufe haben die Laufzeitprämie - die Höhe der zusätzlichen Vergütung, die die Anleger für das Halten längerfristiger Papiere verlangen - nach Berechnungen einiger Fed-Ökonomen negativ werden lassen.
Während ein Umschwung in der Renditekurve ein verlässlicher Vorläufer vergangener Rezessionen war, ist nicht ganz klar, warum dies der Fall ist. Die wohl beste Erklärung lautet, dass es diejenigen Banken unter Druck bringt, die Geld zu kurzfristigen Zinssätzen leihen, um es längerfristig zu verleihen. Wenn die kurzfristigen Zinsen über die langfristigen steigen, ist diese Strategie nicht länger profitabel, so dass die Banken die Kredite an Unternehmen und Haushalte zurückfahren.
"Es gibt dann eine Verlangsamung des Kreditwachstums mit einer zeitlichen Verzögerung", sagt Joachim Fels, Global Economic Adviser bei Pacific Investment Management Co. Das wiederum "trägt zu einer Konjunkturabschwächung oder Rezession bei".
Powell signalisierte im März gegenüber Reportern, es sei eine offene Frage, ob eine inverse Kurve die Bereitstellung von Krediten an die Wirtschaft beeinträchtige. "Es ist schwer, dies in den Daten zu finden", sagte er.
Die heutige Debatte über die Bedeutung der Renditekurve erinnert an eine ähnliche Diskussion vor der letzten Rezession : Einen Monat nach seinem Amtsantritt als Fed-Chairman im Februar 2006 spielte Ben Bernanke die Bedeutung der Lücke herunter. "Ich würde die derzeit sehr flache Zinsstrukturkurve nicht als Anzeichen für eine kommende signifikante Konjunkturabschwächung interpretieren", sagte er in einer Rede in New York. 21 Monate später rutschte die Wirtschaft in den schlimmsten Abschwung seit der Weltwirtschaftskrise ab.
(Bloomberg)