Fehlerhafte Steuerrechnung anfechten?

  • Grüezi mitendand,



    Ich habe Anfang März einen Einschätzungsentscheid bekommen für das Steuerjahr 2010, und ich habe die Wichtigkeit oder gar Bedeutung dieses Briefs leider nicht verstanden. Ich bekam so etwas noch nie zuvor, weil ich relativ frisch gebackener Schweizer bin (und Ausländer quellenbesteuert sind). Da es kein Begleitbrief gab und auch keine Rechnung, bin ich davon ausgegangen, es sei eine Art Zusammenfassung, vielleicht sogar eine Bestätigung, dass ich nichts mehr schulde (2010 war ich eben zum grössten Teil Quellenbesteuert)... Also habe ich es weggelegt in meinen Ordner. Grosser Fehler!


    Letzte Woche kam dann die Rechung (Staats- und Gemeindesteuern) - für etwas mehr als 3000 CHF! Natürlich habe ich dann realisiert, dass etwas nicht stimmt. Und ich nahm den alten "Entscheid" vor, und habe dann gesehen, dass die Anfangzahl viel zu hoch war. Die Abzüge waren OK, aber mein noch zu besteuernden Einkommen war irgendwie viel zu hoch. Zur Info: ich war 2010 genau 9 Monate lang quellenbesteuert, sprich 3 Monate lang normal.


    Ein Besuch beim Steueramt hat nichts gebracht; der Typ war eher irritiert und konnte mir nicht einmal sagen, woher diese grosse Zahl stammt. Meinte es sein eh zu spät.


    Als ich die Berechnung sorgfältig wiederholte, war mir klar, dass sie etwa 1800 CHF sein sollte - nicht 3000!


    Einige Telefonate später - wieder mit eher irritierten Steuerbeamten! - war die Sache klar. Hier die Fakten:


    1) Meine Unterlagen waren alle perfekt in Ordnung und die Zahlen waren richtig. Nur wurden sie ignoriert.


    2) Die Frau, die mein Entscheid geschrieben hat, hat einfach eine Zahl aus ihrer Datenbank gelesen - sprich wieviel von meinem 2010 Lohn *nicht* quellenbesteuert wurde - und hat dann diese Zahl in den Bescheid eingetragen.
    LEIDER hat sie versehentlich (oder nicht??) die Zahl für 2009 abgelesen, statt für 2010! In 2009 war ich auch teilweise quellenbesteuert, aber weniger als in 2010...also logisch, die Zahl war zu hoch.
    Ich wiederhole: sie hat eine Zahl aus 2009 verwendet statt 2010, was für mich im Endeffekt sehr viel ausmacht!


    3) Wegen dem Fehler dieser Frau kommt die Rechung zu 1200 CHF *mehr*, als sie sein sollte!


    Nun, ist es tatsächlich völlig unmöglich irgendwie diesen Fehler zu beheben?? Für mich ist es einfach ERSTAUNLICH, dass einen solch dummen Fehler wegen einer verpassten Frist von 30 Tagen trotzdem *ganz* von mir zu tragen ist. Ich meine, geht's noch? Es wäre ja eine Sache von einer Minute, den Fehler zu korrigieren. Meiner Meinung nach ist es eine unverständliche Frechheit, wenn sie sich erlauben, mir 1200 CHF in Rechung zu stellen wegen *ihrem* Fehler - gleich ob ich die Frist verpasst habe. Was wäre, wenn die nette Dame eine Null zuviel eingeschrieben hätte? Müsste ich dann 30'000 bezahlen wegen der verpassten Frist?? Wie kann es sein, dass die "Busse", die ich zu bezahlen habe, nicht im Verhältnis zu meinem Fehler steht? Ich meine: eine knapp verpasste Frist ist gleich eine knapp verpasste Frist, und sollte evtl. mit einer Busse von "X" Franken zu bezahlen sein - aber dass die Konsequenzen der verpassten Frist gar keine Rolle spielen, ist für mich kriminell, oder wenigstens ist es eine gefährlich blöd formulierte Regel, die nicht immer gleich angewendet werden sollte.


    Gäbe es nicht z.B. die Möglichkeit, diese zu hohe Rechnung jetzt zu bezahlen, und dafür Kredit zu bekommen für's nächste Jahr?


    Was kann ich noch machen? Die Rechnung ist noch nicht fällig; ich darf sie noch anfechten. Ich habe vor, trotz fast garantierter Zeitverlust einen eingeschriebenen Brief zu schicken, wo ich das Argument machen möchte, die Berechnung sei falsch weil die erste Zahl nicht stimmt. Und natürlich werde ich genau erklären, wie ich es weiss, wer den Fehler gemacht hat, und was die richtige Berechnung wäre. Das bringt vielleicht nichts, aber ich bin unglaublich wütend und muss es wenigstens probieren, damit - wenn nichts anderes - das Fälligkeitsdatum der Rechung zurückgeschoben wird.


    Was denkt ihr? Ist die Sache genau so schlimm wie ich bis jetzt gehört habe? Muss ich diese 1200 CHF für immer verlieren? Wenn ja, finde ich das kaum besser, als wäre ich wegen der verpassten Frist gezwungen, einen Dieb zu mir einzuladen, um meinen Fernseher mitzunehmen. Sie sollten sich schämen über die rücksichtslose Anwendung einer solchen Klausel ("Nach 30 Tagen wird die Sache offiziell, end of story").


    Bin froh wenn mir jemand irgendetwas positives dazu sagen kann....


    Bestens, runway88

  • Welcome to Switzerland

    Willkommen in der Schweiz!


    Ich kann Dir leider nichts positives sagen. Deine Erfahrungen decken sich mit meinen: Wenn Du eine definitive Einschätzung bekommst und die nicht mit aller Macht innerhalb der knappen Frist anfichst (am besten mit Anwalt!) hast Du nicht die geringste Spur einer Chance, zu Deinem Recht zu kommen!


    Theoretisch bleibt Dir ein "Gnadengesuch" an den Kanton, wenn Dich eine grobe Fehleinschätzung in den Konkurs treiben würde.
    Aber das ist bei Fr. 1200 oder 3000 vermutlich nicht der Fall.


    Um den Faden weiter zu spinnen:
    Wegen Steuerschulden kannst Du auch nicht in Konkurs gehen, Privatkonkurs ist nämlich nur dann möglich, wenn die Steuerschulden weniger als 50% Deiner Schulden betragen. (Zumindest im Kanton Bern). Somit schützt sich der Staat vor Verlusten durch Konkurs ;)

  • MarcusFabian hat am 28.04.2012 - 06:42 folgendes geschrieben:

    Quote

    .........Wenn Du eine definitive Einschätzung bekommst und die nicht mit aller Macht innerhalb der knappen Frist anfichst (am besten mit Anwalt!) hast Du nicht die geringste Spur einer Chance, zu Deinem Recht zu kommen!

    Heisst das im Umkehrschluss auch, dass der Staat nach einer definitven Einschätzung bei mir nicht's mehr holen kann, wenn er später merkt, dass ich ein Fehler gemacht habe, welchen er damals nicht bemerkt hatte?

    Dem Geld darf man nicht nachlaufen - man muss ihm entgegengehen.(Henry Ford)

  • Die Schweiz ist ein Rechtsstaat, in dem gut belegbare und dokumentierte Behördenirrtümer nicht einfach ingnoriert werden. Es ist für diese Betragshöhe völlig unratsam, einen Anwalt beizuzuiehen, zumal sich dieser Fehler eben auf einen Behördenirrtum bezieht. Ein eingeschriebener Brief mit allen Facts an die Rekurskommision der veranlagende Steuerbehörde genügt in der Regel, allenfalls mit einer Kopie an den obersten Steuervogt Deines Kantons zur Absicherung, dass der Rekursantrag mehrfach gelesen wird. Ein solcher Rekurs hat durchaus gute Chance auf eine postive Beurteilung, wenn die Einsprachezeit abgelaufen ist.

    Ich möchte Dich noch darauf aufmerksam machen, dass für das Steuerjahr 2010 die Einkünfte von 2009 besteuert werden müssen. Ich hoffe, Du hast diesen etwas verwirrlichen Umstand berücksichtig. Ich wünsche Dir gutes Gelingen und gratuliere Dir zur Einbürgerung. Willkommen!

  • Speki hat am 28.04.2012 - 07:48 folgendes geschrieben:

    Quote

    Heisst das im Umkehrschluss auch, dass der Staat nach einer definitven Einschätzung bei mir nicht's mehr holen kann, wenn er später merkt, dass ich ein Fehler gemacht habe, welchen er damals nicht bemerkt hatte?

    Aber sicher doch. ;)

  • Versace hat am 28.04.2012 - 07:55 folgendes geschrieben:

    Quote

    Ich möchte Dich noch darauf aufmerksam machen, dass für das Steuerjahr 2010 die Einkünfte von 2009 besteuert werden müssen. Ich hoffe, Du hast diesen etwas verwirrlichen Umstand berücksichtig.

    Danke für Eure Antworten - ich werde ganz bestimmt einen Rekursantrag stellen...das kann ja nichts schaden.


    Aber eins habe ich an dieser Antowrt nicht verstanden (oben zitiert)...was heisst das, für das Jahr 2010 werden die Einkünfte aus 2009 besteuert? Ich habe ja auch 2009 Steuern bezahlt...was hat das mit 2010 zu tun?

  • runway88 hat am 30.04.2012 - 10:29 folgendes geschrieben:

    ...was heisst das, für das Jahr 2010 werden die Einkünfte aus 2009 besteuert?

    In der Steuererklärung 2010 versteuerst Du tatsächlich die Einkünfte aus dem Jahr 2009, denn im Jahr 2010 kennst Du bei termingerechter Eingabe der Steuererklärung 2010 - zirka Mitte März 2010 - Deine Einkünfte im Jahr 2010 noch gar nicht!

  • Versace hat am 30.04.2012 - 20:12 folgendes geschrieben:

    runway88 hat am 30.04.2012 - 10:29 folgendes geschrieben:



    ...was heisst das, für das Jahr 2010 werden die Einkünfte aus 2009 besteuert?


    In der Steuererklärung 2010 versteuerst Du tatsächlich die Einkünfte aus dem Jahr 2009, denn im Jahr 2010 kennst Du bei termingerechter Eingabe der Steuererklärung 2010 - zirka Mitte März 2010 - Deine Einkünfte im Jahr 2010 noch gar nicht!

    runway88

    Deine Aussage ist so nicht richtig. Wir haben ja seit ein paar Jahren, so viel ich weis in allen Kantonen und bei der Direkten Bundessteuern, die Gegenwartsbemessung. D.h. im Jahr 2009 bezahle ich die Steuern aufgrund des Einkommens von 2009 und vom Vermögen per 31.12.2009. Im Jahr 2010 bezahle ich die Steuern aufgrund des Einkommens 2010 und dem Vermögen per 31.12.2010.

    Durch die sogen. Gegenwartsbesteuerung ist man mit den def. Steuerveranlagungen natrülich immer 1 Jahr im Rückstand. Dafür bekommen man ja auch immer eine prov. Steuerrechung für das neue Steuerjahr. Wenn sich die Einkommensverhältnisse für das aktuelle Jahr ggü. dem Vorjahr stark verändert haben, kann man auch eine neue angepasste prov. Steuerrechnung verlangen. Die def. Steuerrechung kommt aber sicher immer erst wenn das entsprechende Kalenderjahr abgelaufen ist.

    Wenn die Einsprachefrist aber abgelaufen ist, gibt es keine Möglichkeit mehr Einsprache gegen eine Steuerveranlagung einzureichen. Ausser und könnest glaubhaft nachweisen, dass Du die Veranlagung gar nicht erhalten hast oder wenn ein anderer a.o. Grund vorliegt, welcher Dich an einer rechtzeitigen Einsprache gehindert hat. Allerdings liegt die "Latte" sehr hoch, rechtskräftige Veranlagungen noch anzufechten. Im der Einrede Du hättest die Veranlagung nicht erhalten kannst Du nicht mehr kommen, da Du ja schon reklamiert hast. Für die Zukunft kann ich Dir nur raten, Rechtsmittelfristen einzuhalten und wenn es wirklich um etwas geht vielleicht vorher einen Fachmann zu fragen oder Dein Problem sofort hier im Forum zu schildern.

    Karat

  • Ich habe mein Posting zwischen den beiden Postings von Karat1 gelöscht und nehme meine Aussage teilweise zurück! Gegenwartsbesteuerung ja, aber die drei Steuerraten 2011 (Kanton BE) beruhen auf der provisorischen oder auch definitiven veranlagten Steuererklärung 2010 und werden erst mit der Einreichung der Steuererklärung 2011 im März 2012 definitiv abgerechnet. Die Steuerschlussabrechung 2011 erhält man normalerweise (Kanton Bern) zwischen Mai und November 2012. Alles korrekt jetzt?

  • Meine Solidarität habt ihr

    Ich kann leider auch nur das sagen, was meine Vorredner gesagt haben. Ich habe mich auch einmal nicht in der dafür gegebenen Frist darum gekümmert und hatte keine Chance. Da kann man nicht viel machen.