Verzerrungen der Preisbildung Thema am Bürgenstock-Treffen
Die Vielzahl an Energieformen stellt unterschiedliche technische Anforderungen an den Handel und damit an die Regulierung der einzelnen Energieform. (Bild: Keystone/AP)
Die verschärfte Regulierung der Derivatemärkte führt zu Verzerrungen bei der Preisbildung im Energiesektor und verteuert das Geschäft von international tätigen Unternehmen.
sj. ⋅ Die Regulierung der Derivatemärkte erzeugt bereits Verzerrungen im Energiehandel. Die beiden Ölsorten West Texas Intermediate (WTI) und die Nordseesorte Brent haben sich in der Vergangenheit immer mehr oder weniger parallel entwickelt. In den vergangenen Monaten wurde WTI nun mit einem deutlichen Abschlag gegenüber Brent gehandelt. Die Teilnehmer des ersten Panels am Bürgenstock-Meeting vom Donnerstag begründen diesen Unterschied mit dem anspruchsvolleren regulatorischen Umfeld in den USA gegenüber Europa, das WTI-Kontrakte weniger attraktiv macht.
Die Vielzahl an Energieformen – Erdöl, Kohle oder Elektrizität – stellt unterschiedliche technische Anforderungen an den Handel und damit an die jeweilige Regulierung der einzelnen Energieform. Die zentralen neuen Regelwerke in diesem Bereich versuchen allerdings eher eine Vereinheitlichung: die Dodd-Frank Act in den USA und in Europa die Überarbeitung der Mifid-Richtlinie sowie die European Market Infrastructure Regulation (Emir) mit zum Teil unerwünschten Nebenwirkungen. In Europa soll zudem eine Direktive zum «Netting», also zur Verrechnung von offenen Positionen, in Vorbereitung sein.
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Was bis heute an neuen Regeln absehbar ist, hätte weitreichende Konsequenzen jenseits des Derivatehandels. Früher konnten grosse amerikanische Konzerne wie Caterpillar relativ einfach mit ihrer Bank eine Währungsabsicherung vereinbaren, wollte das Unternehmen im Ausland beispielsweise eine neue Fabrik bauen. Mit den neuen Vorschriften müsste eine solche Absicherung nun durch Kapitalhinterlegung gedeckt werden. Zwar könnte die Bank bei der Finanzierung helfen, allerdings verteuert und verkompliziert die Regulierung einen relativ einfachen Prozess. John Damgard, der Präsident des amerikanischen Verbands Futures Industry Association, beobachtet, dass insbesondere die Politiker langsam erkennen, dass Währungs-Swaps eigentlich auch ohne die Regelungen der Dodd-Frank Act gut funktionierten.
Neue Regulierung beeinflusst die Preise auch im Elektrizitätsbereich, wie Geir Reigstad von Nasdaq OMX Commodities erklärte. Die meisten Elektrizitätskontrakte werden zur physischen Lieferung der Energie gehandelt und nicht zur finanziellen Abgeltung bei Verfall. Wird nun neu mit der Notwendigkeit zum Clearing die Hinterlegung einer Marge für eine solche Transaktion verlangt, verteuert dies solche Transaktionen. Am Schluss wird der Stromverbraucher die Rechnung zu bezahlen haben.
Regulierung und die Reduktion von Systemrisiken standen auch im zweiten Panel im Vordergrund mit der Abwicklung des ausserbörslichen Handels (over the counter, OTC) über Clearinghäuser. Die Teilnehmer stellten durchs Band fest, dass die Branche bereits an der Umsetzung dieser Verlagerung arbeitet, obwohl die Regelwerke dazu noch nicht (vollständig) ausgearbeitet sind. Besonders heftig wurde die Rolle des Clearinghauses als zentraler Gegenpartei diskutiert. Während diese zwar das Gegenparteirisiko für die Marktteilnehmer eliminieren kann, bleibt das Systemrisiko bestehen, und die Clearinghäuser könnten neu statt der Banken «too big to fail» sein.