Einen Rückblick auf meine Juni-Prognosen kann ich uns eigentlich ersparen, denn ich habe gar keine abgegeben
Das einzige, das vor einem Monat noch zur Diskussion stand war eine allfällige Leitzinserhöhung der SNB. Ich habe fest damit gerechnet, dass es zu keiner kommen würde und so war es dann auch.
Was uns derzeit als Themen am meisten beschäftigt: die Griechenlandkrise und Quantitative Easing der FED.
Beginnen wir mit Griechenland. Allerdings im Schnellduchlauf:
Griechenland
Es wird Griechenland oft unterstellt, es werde nicht gespart. Das ist so nicht ganz richtig. Alleine dieses Jahr sollen €6.5 Mrd. eingespart werden. Das entspricht etwa 2% des BIP.
Das ist nicht ganz einfach, denn die Sparmassnahmen haben dazu geführt, dass zwar einerseits die Steuereintreiber effizienter unterwegs sind als jemals zuvor, andererseits jedoch hat das BIP von 2009 auf 2010 von $337.9 Mrd. auf $321.7 abgenommen. Ein Minus von 4.8%.
Eine Griechenlandhilfe gibt es leider nicht. Milliarden an sogenannter Griechenlandhilfe kommen ja nicht dem Volk oder der Wirtschaft zu gute sondern lediglich den Banken, die damit alte Schulden ablösen. Einen Marschall-Plan, wie es ihn als Wiederaufbauhilfe für Deutschland nach dem 2. Weltkrieg gab, gibt es nicht.
Die Verantwortlichen für die Griechenland-Misere sind im griechischen Politfilz und bei griechischen und internationalen Banken - namentlich Goldman Sachs - zu suchen.
Die Politiker bleiben im Amt, die Banken bekommen bailouts von Europa und das Volk darf über (MWST-)Steuererhöhungen und bis 30% Lohnkürzungen die Zeche bezahlen.
Verständlich, dass in Athen die Menschen auf die Strasse gehen.
Gelöst wurde in Griechenland gar nichts. Wenn das nächste Paket von €120 Mrd. bewilligt wird, wird die Schuldenlast erhöht, das Problem somit verschärft allerdings zeitlich hinausgezögert. Ein Fass vielleicht nicht ohne Boden aber zumindest mit einem heftig dicken Loch im Boden.
Noch zwei Anmerkungen, die es kaum in den Fokus der Presse geschafft haben:
1. Vor 70 Jahren haben die Nazis das griechische Gold geplündert. Deutschland hat dieses Gold nie zurückgegeben. Muss es auch nicht, denn es gab 1960 einen entsprechenden Vertrag. Dieses Gold hat heute einen Wert von €67 Mrd. Auch wenn es falsch wäre (zumindest juristisch) dieses Gold mit heutigen Zahlungen Deutschlands an Griechenland zu verrechnen, so muss man doch gewisses Verständnis dafür haben, dass die Griechen diesen Vergleich anstellen.
2. Einer der Mitarbeiter von Goldman Sachs, der Staaten berät, war Mario Draghi. Der ist jetzt neuer Chef der EZB! :oops:
Da kommt einem doch unweigerlich der Spruch vom "Bock zum Gärtner ..." in den Sinn.
USA: Quantitative Easing
Bekanntlich läuft QE2 per heute aus und wie zu erwarten hat Bernanke noch kein QE3 angekündigt.
Er hat klargestellt, dass die FED weiterhin auslaufende Treasuries durch neue ersetzen will. Das würde bedeuten, dass die Dollarmenge konstant bleibt. Er hat sich allerdings die Option offen gelassen, jederzeit ein neues QE (oder wie immer das heissen wird) aufzulegen, sofern es die Situation erfordern sollte.
Wenn man sich die Kursverläufe des Juni anschaut, kann man schliessen, dass der Markt sehr fest mit QE3 rechnet. Ansonsten wären die Verluste an den Aktienmärkten nicht lächerlich niedrig im einstelligen Bereich verbliegen.
Ich rechne auch mit QE3, wobei sich nur die Frage stellt, ob QE3 schon im Lauf des Juli kommt oder im August oder gar erst im September.
Details und Begründungen zu QE und die Auswirkungen auf die diversen Märkte habe ich im Mai-Thread bereits ausführlich besprochen. Deshalb hier nur eine kurze Zusammenfassung:
Ohne QE:
Die Dollar-Geldmenge stagniert. Somit werden Dollars gegenüber Gütern und Dienstleistungen knapper, was folgende Konsequenzen hat:
* Der Wert des Dollars steigt.
* Die Teuerung nimmt ab. Auch was Lebensmittel und Erdöl betrifft.
* Geld wird teurer, die Zinsen steigen.
* In der Folge werden Anleihen und Aktien ebenso im Preis sinken wir Edelmetalle und Rohstoffe.
* Die steigenden Zinsen bei Hypotheken sorgen für sinkende Immobilienpreise und belasten gleichzeitig die Hausbesitzer. Entsprechend wird die Zahl der Zwangsversteigerungen steigen.
* Steigende Zinsen sorgen auch für einen Rückgang des Konsums und Ausbau des Sparanteils. Es wird also vermehrt Konkurse von konsum-abhängigen Firmen geben, entsprechend steigende Arbeitslosenzahlen und in der Folge noch weiter sinkenden Konsum. Unter dem Strich also ein freiwilliges Spar- und Schuldenabbauprogramm ähnlich wie in Griechenland.
Ich weiss nicht, ab welchem Punkt Bernanke wieder versuchen wird, durch QE3 Gegensteuer zu geben. Aber ich bezweifle stark, dass Amerika den harten Weg des Sparens durchschreiten wird. Da ist es viel einfacher, kürzer und logischer, durch Starke Inflation die Schulden zu entwerten und ggf. eine Währungsreform durchzuziehen.
Mit QE:
QE1 hat dem GDP eine Aufwertung von 4% gebracht.
QE2 hat noch 2% gebracht.
Also schätzen wir mal einfach Handgelenk mal Pi, dass QE3 noch 1% bringt
Es zeichnet sich immer mehr ab, dass man zwar mit gedrucktem Geld das BIP, die Aktien- und Anleihenpreise oben und die Banken glücklich halten kann aber der Wirtschaft und dem Konsumenten bringt das rein gar nichts. Im Gegenteil: Durch die Verwässerung des Dollars steigen seit einem Jahr die Preise.
Bekanntlich fliesst neu gedrucktes Geld eins-zu-eins ins BIP, obschon mit Geld, das in Staatsanleihen investiert wird rein gar nichts produziert wird. QE2 alleine hat die Geldmenge um 4% erhöht. Das US GDP ist aber nur um 1.9% gewachsen. Ohne die 600 Mrd. aus QE2 läge das GDP also bei rund -2.1%.
Wir können also mit Fug und Recht behaupten, dass die USA sich in einer Rezession befinden, obschon die künstlichen Zahlen uns derzeit noch etwas anderes suggerieren.
Ohne die Pumpenkohle der letzten Jahre wären die Aktienmärkte also lange nicht so weit oben wie jetzt. Dennoch zeichnet sich langsam ab, dass auch noch so viel Pumpenkohle die Aktienmärkte nicht mehr künstlich oben halten kann. Hier ein Chart von Clive Maund:
[Blocked Image: http://img220.imageshack.us/im…spx1year2606118917792.gif]
Quelle: http://www.clivemaund.com/arti…1d4ea4acffffe383842ba4fa9
Wir haben hier also eine langfristige Top-Formation der Bärenmarktrally, die im März 2009 begonnen hat. Und dies wie gesagt sogar MIT Pumpenkohle.
Währungen
Der Kernpunkt jeglicher Anlagestrategie lautet: Den idealen Mix aus Rendite und Risiko zu finden. Für eine Hochrisiko-Anleihe verlange ich eine Rendite von vielleicht 15-20% über Libor, für eine mündelsichere vielleicht 1-2%. Soweit eine Binsenwahrheit.
Wir sind uns wohl alle einig, dass Dollar und Euro heutzutage sehr gefährdete Währungen sind, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Dabei wollen wir Pfund und Yen nicht vergessen aber für die weiteren Betrachtungen unterschlagen.
Interessant ist, dass China trotz aller offensichtlichen Probleme in Europa, seit etwa einem Jahr begonnen hat, Euro-Staatsanleihen zu kaufen. Das impliziert wiederum, dass China im Gegenzug entsprechend Dollars verkauft hat. Es ist noch nicht klar ersichtlich, ob China einfach nur diversifizieren will oder - aus welchen Gründen auch immer - dem Euro mehr Chancen einräumt als dem Dollar.
Entsprechend gibt es widersprüchliche Annahmen, wie China wohl reagieren wird, wenn QE2 nicht ersetzt wird:
Argument: Da sich der Dollar stabilisiert und die Geldmenge nicht mehr ausgeweitet wird, gibt es für China keinen Grund mehr, Dollars und Treasuries zu verkaufen. Vielleicht wird China ja sogar wieder zum Netto-Käufer.
Gegenargument: China ist sich sehr wohl bewusst, dass früher oder später QE3 kommen wird und nützt die Zwischenphase des stabilen Dollars aus, um vermehrt Dollars zu verkaufen und dafür die billiger werdenden Rohstoffe zu kaufen.
Letzteres würden wir im Juli daran erkennen, dass trotz Aussetzung von QE2 der Dollar weiter sinkt und Rohstoffe, Aktien, Anleihen nicht wesentlich billiger werden (in Dollar gerechnet) und dass das Zinsniveau in den USA niedrig bleibt.
Schweiz
Die Schweiz gehört zu jenen wenigen Ländern, bei denen die Staatsschulden (gemessen am BIP) noch keine Gefahr darstellen. Entsprechend dürfen wir uns an einer an Gold gemessen sehr stabilen Währung erfreuen. Ähnlich wie Norwegen, Singapur oder Malaysia.
Für die Schweiz sehe ich zwei grosse Gefahren:
1. Die beiden Grossbanken UBS und CS sind in Investments involviert, die das BIP der Schweiz um ein Mehrfaches übersteigen.
2. Sollte es in den USA oder EUropa zu einer Finanzkrise kommen, wird die Schweiz unweigerlich und auch ohne eigenes Verschulden mit in den Abwärtsstrudel gezogen. Alleine schon wegen Punkt 1. Wir wissen ja auch aus Erfahrung mit der Finanzkrise 1, was selbst ein (für uns) so unbedeutendes Ereignis wie ein Bankrott von Lehman Broth. Für Auswirkungen hatte.
Auch für den Fall einer 2. Finanzkrise gibt es zwei diametral entgegengesetzte Argumentationsmöglichkeiten:
Argument: Der Franken wird zum Fluchthafen für ausländisches Grosskapital. ==> Weiterhin steigender Franken gegen Dollar/Euro/Pfund/Yen
Gegenargument: Das Vertrauen in ungedecktes Papiergeld wird weltweit grassieren und auch der Franken wird verkauft.
Für Überraschungen kann dabei die SNB jederzeit sorgen. Denn auch die steht zwischen Stuhl und Bank:
Einerseits hat sie Druck von der Schweizer Exportindustrie, die unter dem starken Franken leidet.
Andererseits hat sie keine andere Möglichkeit, den Franken zu schwächen als entsprechende Mengen an Dollars oder Euros aufzukaufen. Dann aber macht sie Verlust und die Eigentümer sind unglücklich.
Ausblick Juli
Wir hatten bereits im auslaufenden Juni einen kleinen Vorgeschmack eines Einbruches.
Die Charttechnik zeigt ein mittlefristiges Top, was darauf schliessen lässt, dass die Bärenmarktrally, die uns dank FED-Kohle 26 Monate lang bei Laune gehalten hat, nun langsam aber sicher an Kraft verlässt.
Ein ganz wichtiges Indiz ist, dass die Big-Player, die Commercials und Large Specs (im wesentlichen also Banken und Pensionskassen) beide auf der Short-Seite stehen und ihre Aktien den Kleinspekulanten verkaufen.
[Blocked Image: http://www.wellenreiter-invest….sp500_27250_image001.png]
Als wäre das nicht genug, ist das auslaufende QE3 das wohl stärkste bärische Argument.
Kurz: Es gibt für mich derzeit mehr und stärkere Argumente für sinkende als für steigende Kurse.
Und nicht nur das. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich die Fallgeschwindigkeit erhöhen wird.
Im Schnelldurchlauf:
* Die Gelddruckerei der letzten Jahre konnte zwar die Aktien- und Anleihenkurse künstlich oben halten, hat der Wirtschaft aber gar nichts gebracht. Ohne diese Krücke gibt es nichts, was die Kurse nach oben drücken könnte. Quantitative Easing - so die Erkenntnis - ist gescheitert und hat langfristig mehr geschadet als genützt.
* Die Big-Boys verkaufen an die Kleinanleger. Das ist selten genug. Bisher haben immer die Big-Boys das Spiel gewonnen.
* Das allgemeine Zinsniveau ist viel zu niedrig und reflektiert keineswegs einen gesunden, freien Markt! Doch trotz historisch niedrigem Zinsniveau hat der SP500 ein KGV von 23.33, was zwischen "viel zu teuer" und "Blase" liegt. Die Aktienpreise werden also massiv korrigieren. Und zwar weltweit!
Ich will nicht behaupten, dass es bereits jetzt im Juli zu weiteren Abgaben bei Aktienpreisen kommt aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch.
Viel wichtiger scheint mir aber die Erkenntnis, dass es nicht nur eine kurze Baisse in einem langfristigen Bullenmarkt sein wird sondern eine Fortsetzung des langfristigen Bärenmarktes, der 2007 begonnen hat.
Nichts wäre also fataler als per Oktober 2011 den Boden zu erwarten und in Hinblick auf eine Jahresendrally dann Aktien zu kaufen!
Aber das werden wir zu gegebener Zeit und mit mehr Informationen im Hinterkopf besprechen.
Happy Trades
Marcus