Spieglein, Spieglein an der Wand...
wer ist der Reichste im ganzen Land?
Achim H. Pollert über
die grossen Vermögen und ein Geheimnis des Reichtums
Wir alle kennen diese Listen.
Von den Reichen und den Superreichen, die da diese Welt bevölkern. Oft werden diese Aufstellungen von Wirtschaftszeitschriften und Gesellschaftsmagazinen erhoben, vielfach im Bewusstsein, dass die staunenden Leser mit Bewunderung und Verehrung für die hier Genannten reagieren.
Legendär ist hier etwa die jährlich neu erscheinende Liste der Milliardäre des amerikanischen Forbes Magazine. Dort erwähnt zu werden ist für viele Reiche und Neureiche bestimmt gleich viel wert wie eine Erhebung in den Adelsstand. Mindestens.
http://www.forbes.com/billionaires/
Solche Listen gibt es dann noch erweitert für verschiedene Länder. So kann man dann betrachten, wer nach Ansicht des einen oder anderen Wirtschaftsprüfers oder auch einer fachkundigen Redaktion im eigenen Land in der finanziellen Oberliga mitspielt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_reichsten_Schweizer
Lange Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, wurde die weltweite Liste ja bekanntlich von Bill Gates angeführt. Das war seinerzeit für die Menschen ungewohnt. Normalerweise hätte das ja ein Erdölmagnat wie John D. Rockefeller und der Emir von Kuweit oder allenfalls ein Banker wie J. P. Morgan sein müssen.
Aber inzwischen haben wir uns natürlich daran gewöhnt, dass Leute aus der Computerbranche vorne auf diesen Listen mit dabeistehen. Von Steve Jobs bis Michael Dell.
Der reichste Mann der Welt
Inzwischen spielt Bill Gates natürlich immer noch vorne in der Liga mit. Aber er steht nicht Jahr für Jahr immer unangefochten und weit vor den anderen an erster Stelle. Gelegentlich wechselt er sich ab mit anderen.
Es ist also eigentlich gar nicht einmal so ganz klar, wer denn nun der reichste Mensch der Welt ist. In manchen Jahren ergibt sich im nachhinein, dass der Microsoft-Gründer es gewesen ist, in anderen dann eben doch wieder nicht.
Aber seien wir ehrlich: Wir leben doch alle irgendwie immer noch mit der Vorstellung, dass immer dann, wenn jemand irgendwo auf der Welt seinen Computer einschaltet, der unter Windows läuft, das Gesicht von Bill Gates wieder zufrieden lächelt und in den Brillengläsern Dollarzeichen erscheinen.
Milliarden von Anwendern, die täglich ein paarmal den Computer starten.
Und jedes Mal stellen wir uns die aufgehaltene Hand von Bill Gates unter der Tischplatte vor, wie sie ein par Zehntel Rappen auffängt.
Deshalb erscheint es uns natürlich auch ganz logisch, dass ein Mensch, der so unmittelbar an der modernen Zivilisation mit verdient, so unermesslich reich ist.
Zumindest wollen uns das so manche mehr oder minder starke Online-Kranke weismachen. Und mancher Parade-Linke glaubt vielleicht sogar selber, das wäre so. Die aufgehaltene Hand des eiskalten Monopolkapitalisten, die überall ihren Prozentsatz absahnt.
Das muss da der reichste Mann der Welt sein!
Wie so manch andere aus der IT-Branche. Larry Ellison von Oracle zum Beispiel.
So wie früher einmal Rockefeller mit seinem Oel, der mit kassiere an jeder Tankstelle, in jedem Winter beim Oeltank und jedes Mal, wenn jemand sein Feuerzeug nachfüllte!
Wie das Absahnen funktioniert...
Wie machte Rockefeller das eigentlich damals, dass jedes Mal ein paar Zehntel Rappen an ihn überwiesen wurden, wenn etwa in Finnland ein deutscher Tanker russisches Oel an eine britische Tankstellenkette lieferte und die Finnen dort tankten?
Falls es so gewesen ist...
Und wie macht Bill Gates das, dass er da mit die Hand aufhält, wenn ich Windows auf meinem PC installiert habe? Ist da im Hintergrund ein Spionage-Programm mit eingebaut, das die Installation erfasst und dann an den privaten Vermögensverwalter von Bill Gates meldet? Und der schickt meinem Software-Händler dann eine Rechnung über eine Handvoll Dollars im Jahr?
Und - vor allem -: Woher wissen eigentlich Forbes und die anderen Magazine, die solche Listen erstellen, so genau, wie oft bei Bill Gates, Warren Buffett, Larry Ellison und all den anderen im Jahr so die Kasse klingelt?
Haben die ihre Informanten in den Anwaltskanzleien und Buchhaltungsfirmen der Superreichen sitzen? Und rufen die Informanten dann regelmässig bei den Redaktionen an, um die jeweiligen Umsätze ihrer Klienten zu melden?
Und dann noch ein ganz anderer Effekt, dessen Wirkungsweise auf Anhieb gänzlich unklar ist.
Im Jahre 2008 rechnete Forbes Bill Gates ein Vermögen von 58 Milliarden Dollar zu.
Damit war er der drittreichste Mensch der Welt.
Im Jahr darauf musste Bill Gates dann aber einen wirklichen Rückschlag bei der Entwicklung seines Vermögens hinnehmen, so scheint es. Denn die Forbes-Liste nannte als sein Vermögen im Jahr 2009 nur noch 40 Milliarden Dollar.
Also hatte er im Verlauf eines Jahres beinahe ein Drittel seines Vermögens verloren.
Man stelle sich das für die eigenen Verhältnisse vor: Man hätte in einem Jahr ein Drittel seines Vermögens verloren... viele werden nicht daran zu denken wagen - auch wenn sie nun nicht gerade Bill Gates oder Steve Balmer heissen.
Interessant ist aber, dass Bill Gates im Jahr 2008, als sein Vermögen 58 Milliarden betrug, an dritter Stelle der Superreichen-Liste stand.
Im Jahr darauf aber, als er ein Drittel weniger zu besitzen schien, war er mit 40 Milliarden Vermögen dann aber wieder der reichste Mann der Welt.
Merkwürdig.
Nicht wahr?
Noch ausgeprägter war dies etwa bei Larry Ellison von Oracle. der rutschte von 2008 von 25 Milliarden um zehn Prozent nach unten auf 22.5 Milliarden im Jahr 2009. Auf der Forbes-Liste aber nahm er einen rasanten Aufstieg, nämlich von Platz 14 auf einen sensationellen Platz 4!
Dieses Spielchen läuft seit Jahren so.
Von Jahr zu landen diese Namen dann immer mal wieder irgendwo weiter vorne und dann wieder weiter hinten auf der Liste, offenbar grossenteils unabhängig von der Entwicklung des Vermögens in eigentlichen Geldbeträgen.
Irgend etwas scheint da also nicht zu stimmen mit unserer Vorstellung vom absahnenden Lieferanten mit dem Kassenklingeln und den Dollarzeichen sowie den indiskreten Informanten im Treuhandbüro, die dann immer gleich eine Kopie für die Presse machen.
Des Rätsels Lösung...
Eigentlich ist es ganz einfach.
Bleiben wir bei unserem Beispiel Bill Gates. Der hat vor Jahrzehnten, nämlich im April 1975, zusammen mit seinem Schulfreund Paul Allen das Software-Unternehmen Microsoft gegründet.
Diese Microsoft Corporation ging dann an die Börse.
Demnach zirkuliert ein grosser Teil von Microsoft-Aktien an den Börsen dieser Welt. Das Unternehmen befindet sich grossenteils im Streubesitz, wie das im Financier-Jargon heisst, gehört also den Heerscharen von kleineren Anlegern, die rund um die Welt immer mal wieder die Aktien dieser Firma kaufen und verkaufen.
Wir kennen das Spiel. Auf Grund dieses ständigen Handels an den Finanzplätzen der Welt bildet sich durch Angebot und Nachfrage laufend ein neuer Kurs für diesen Titel, also ein Preis, der tatsächlich für diese Aktie bezahlt wurde.
Als Microsoft privat gegründet wurde, gehörte das Unternehmen den beiden Partnern Bill Gates und Paul Allen. Als die Firma dann an der Börse notiert wurde, haben die beiden immer mal wieder einen Teil ihrer Aktien dort verkauft.
Aber sie haben immer auch etwas davon behalten, so dass ihnen bis heute wesentliche Anteile an diesem Unternehmen gehören.
So weiss man, dass Bill Gates immer noch gut 10 % des Grundkapitals der Firma besitzt, was rund 1.1 Milliarden Stück Microsoft-Aktien entspricht.
Und wenn nun vorletztes Jahr eine solche Microsoft-Aktie im Durchschnitt zu 50 Dollar an der Börse gehandelt wurde, dann ist Gates' Anteil an der Firma damals so um die 55 Milliarden Dollar wert gewesen.
Und das ist wirklich schon des Rätsels Lösung.
Alle diese Leute haben Anteile an börsennotierten Firmen, die sie gegründet oder geerbt haben, und diese Aktienpakete haben gemäss dem gerade erzielten Börsenkurs einen theoretischen Gesamtwert.
Und weil der Börsenkurs dieses Jahr vielleicht ein Rekordhoch erreichen kann, um sich im nächsten Jahr glatt zu halbieren, kann es auf der Rangliste der Superreichen dann so aussehen, als wäre der einzelne Mensch "nur" noch halb so reich. Dabei hat sich ausser dem Börsenkurs nicht das Geringste verändert...
Weil man bei den börsenkotierten Unternehmen nun auch die grösseren Aktienpakete und ihre Inhaber - zumal die Gründer - kennt, ist es somit auch nicht weiter verwunderlich, dass die Magazine, die diese Listen von Reichen und Superreichen erstellen, auch hier ohne weiteres einen Wert ermitteln und eine Rangliste aufstellen können.
Also wirklich ganz einfach.
Bill Gates ist also nicht Nummer Eins auf der Liste der Superreichen, weil ihm Microsoft alle Jahre einen dicken Gewinn überweist, sondern weil sein derzeitiger Anteil am Microsoft-Grundkapital eben nach dem aktuellen Börsenkurs als Zahl am meisten ergibt.
Im kommenden Jahr könnte er auf Platz 20 landen - oder im bei solchen Unternehmen immer auch möglichen Konkursfall gar nicht mehr auf der Liste stehen.
Wer weiss: Mancher alteingesessene mittlere Adelige mit ein paar Quadratkilometern Boden, etwas Kunstbesitz, dem einen oder anderen Schlösslein, einigen Bauernhöfen und sonstigen Traditionsbetrieben ist womöglich faktisch reicher als die Personen auf den bewussten Top-Listen - nur ist halt der realisierbare Wert des gräflichen Vermögens mehr eine Frage der Einschätzung und nicht so klar zu beziffern.
Der theoretische Reichtum
Nicht zu vergessen ist daneben, dass der Reichtum der Aktienbesitzer auf den bekannten Top-Listen vor allem auch ein theoretisches Element hat.
Wenn ich z.B. 10 Prozent der Aktien eines grossen Unternehmens habe und diese dann an der Börse verkaufen will, dann löse ich mit diesem Verkauf einen Angebotsüberschuss aus. Ein solcher mengenmässig beachtlicher Angebotsüberschuss würde an der Börse gleich einen Rückgang des Aktienkurses auslösen.
Das würde dann aber zugleich auch heissen, dass mein verbleibendes Aktienpaket wegen der schwächeren Börsennotierung weniger wert wäre. Und dann würde ich alleine deshalb schon um wer weiss wieviele Ränge auf der Reichen-Liste nach unten sinken...
Es ist also gerechtfertigt, vom theoretischen Reichtum zu sprechen. Theoretisch deshalb, weil er sich verringern würde in dem Augenblick, in dem der Inhaber versucht, den Reichtum in reales Geld umzuwandeln.