Rückblick auf den Juli
Im Eröffnungsthread vor einem Monat schrieb ich:
MarcusFabian wrote:
QuoteIch rechne in allen Indizes mit etwa seitwärts verlaufenden bis steigenden Kursen. Wie gesagt, die Big-Boys sind demnächst in Urlaub und sie dürften auf höherem Preisniveau enorme Aktienpakete zum Verkauf gestellt haben. Und während sie ihre ausgiebigen Ferien geniessen, kaufen die Kleinanleger über 1-2 Monate hinweg nach und nach diese Aktien auf. (Stichwort: Schafsweide).Wenn wir also demnächst nach kleinen Rallys immer wieder an gewissen hohen Chartmarken (8800 im Dow, 5800 im SMI) den "Kopf anschlagen", dann wissen wir, dass die Kurse erst darüber hinaus gehen können, wenn die Verkaufsorders der Big-Boys abverkauft sind.
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Nun von seitwärts war keine Rede. Wir hatten um das Wochenende vom 10./13. Juli sogar einen Ausbruch nach unten (Bärenfalle) und ab dort kannten die Kurse nur noch eine Richtung: Nach oben.
An den erwähnten 5800 hat sich der SMI zwar ganz kurz das Köpfchen angeschlagen aber nach 4 Tagen war auch diese Hürde überwunden.
Dies allerdings bei einem Volumen, das nur etwa halb so hoch ist, wie beispielsweise im März.
Ich habe bereits mehrmals erwähnt, dass sich in den volumenschwachen Sommermonaten die Richtung nur schwer abschätzen lässt. Deshalb lasse ich das Orakeln bis in den September. Nur soviel: In den nächsten Tagen ist zumindest eine Korrektur zu erwarten. Die Rally der letzten 20 Tage hat doch so einige Gaps produziert.
Nutzen wir also die Zeit, um was neues zu lernen.
Nachdem es im letzten Monat um Inflation, Deflation und Geldpolitik ging, greife ich diesmal ein anderes Thema auf: Wirtschaftstheorie nach Keynes und Minsky.
Falls jemand der Meinung ist, er würde das nicht begreifen, weil es für ihn zu kompliziert ist: Keine Angst: Ich verstehe es ja auch nicht und schreibe trotzdem darüber
Einen Grossteil dieser Informationen habe ich - muss ich ehrlicher Weise zugeben - von Thomas Strobl, Alias weissgarnix geklaut: http://www.weissgarnix.de/
Ich versuche einfach, das dort gelesene und hoffentlich verstandene in einfacheren Worten rüberzubringen.
Dazu müssen wir alle "Geldempfänger" einer von drei Gruppen zuordnen, von denen sie ihre monatlichen Gelder beziehen:
1. Konsumgüterindustrie
2. Investitionsgüterindustrie
3. Staat (Beamte, Sozialhilfeempfänger, Rentner, Arbeitslose)
Dabei werden wir sehen, dass wir besonders auf die Konsumgüterindustrie achten müssen, wenn wir über Inflation oder Deflation spekulieren wollen:
Die Konsumgüterindustrie bezieht ihre Einnahmen aus den Löhnen aller drei Gruppen. Das ist soweit auch logisch und verständlich, denn auch Beamte oder Mitarbeiter der Investitionsgüterindustrie müssen essen, autofahren und heizen.
Die Investitionsgüterindustrie bezieht ihre Einnahmen aus Investitionen der Konsumgüterindustrie und des Staates.
Der Staat wiederum bezieht seine Einnahmen aus Steuern und Abgaben aller Art und Schulden.
Nun machen wir folgendes Gedankenexperiment: Nehmen wir an, die Konsumgüterindustrie hätte keine anderen Kosten als Löhne.
Nehmen wir weiterhin an, alle Angestellten der Konsumgüterindustrie würden ihr gesamtes Gehalt ausgeben. Also für Dienstleistungen und Produkte ihrer Arbeitgeber verwenden.
Was hätten wir dann? Richtig, ein Nullsummenspiel. Die Konsumgüterindustrie würde Umsätze in exakt der Höhe erzielen, die sie im Vormonat als Lohn ausbezahlt hat. Die eigenen Mitarbeiter decken also im besten Fall die Selbstkosten.
In der Praxis natürlich weniger, denn a) geben die Arbeiter nicht den ganzen Lohn aus, ein Teil geht ja als Steuern an den Staat und b) hat die Konsumgüterindustrie ja auch Investitionskosten, Rohstoffkosten etc.
Das bedeutet nun nichts anderes als dass die Gewinne der Konsumgüterindustrie ausschliesslich durch Mitarbeiter der Investitionsgüterindustrie und des Staats generiert werden.
Die Konsumgüterindustrie kann nur investieren, wenn sie Gewinne macht. Und diese wiederum generieren sich aus den verkonsumierten Löhnen der Mitarbeiter der Investitionsgüterindustrie.
Ergo generiert sich der Umsatz der Investitionsgüterindustrie aus den Löhnen die sie den eigenen Mitarbeitern bezahlt! (Import/Exportgewinne und Staat lassen wir mal aussen vor).
Warum uns das interessiert? Weil, wenn wir "Inflation" als das allgemeine Niveau der Konsumentenpreise definieren, wir in erster Linie auf die Konsumgüterindustrie blicken müssen, denn dort wird die Angebotsseite der Konsumgüter zu 100% generiert.
Minsky packt das in eine Formel, deren Ergebnis er Markup nennt, einen Faktor für Inflation.
Diese Formel enthält folgende Variablen:
Linv : Löhne der Invstitionsgüterindustrie
Lstaat: Löhne, Auszahlungen des Staates (auch AL-Geld, Sozialleistungen, Renten)
Lkons: Löhne, die die Konsumgüterindustrie zahlt.
Markup = (Linv + Lstaat) / Lkons
Nehmen wir ein Rechenbeispiel: Die Löhne der Konsumgüterindustrie lägen bei 50, jene des Staates bei 20 und der Investitionsgüterindustrie bei 30. Die Summe der landesweit ausbezahlten Löhne wären also 100.
Markup = (20 + 30) / 50 = 1 , was einem Markup von 100% entspricht.
Nun passiert folgendes: Wirtschaftskrise, die Konsumgüterindustrie entlässt Mitarbeiter und zahlt nun nur noch 30.
Das alleine führt zu Markup (20 + 30) / 30 = 1.6667
Das stimmt aber nicht, denn die neuen Arbeitslosen bekommen ja Unterstützung vom Staat. Natürlich nicht in Höhe ihres bisherigen Einkommens aber vielleicht 75%. Somit werden aus den 20, die in Lkons verschwinden +15 bei Lstaat.
Markup = (35 + 30) / 30 = 2.1667 oder 216%
Wir haben nun also eine landesweit nur leicht reduzierte Lohnsumme von 95, die einem um 40% geringerem Angebot gegenübersteht. Und das ins inflationär!
Diese Rechnerei steht und fällt mit der Behauptung, dass sich das Angebot der Konsumgüterindustrie in gleichem Masse reduziert wie sich die Mitarbeiterzahl reduziert. Das heisst, dass die Produktivität (= Output pro Mitarbeiter) konstant bleibt.
Das ist auch plausibel, denn in wirtschaftlich schlechten Zeiten wird es sich die Industrie nicht leisten können, zu rationalisieren oder zu investieren, um die Produktivität zu steigern. Und bei Firmen, die Pleite gehen, stimmt das allemal. Ihr Output sinkt wie die Mitarbeiterzahl auf Null.
Entlassungen und Pleiten der Investitionsgüterindustrie haben hingegen auf die Inflation praktisch keine Wirkung. Oberhalb des Bruchstriches bleibt ja fast alles beim alten. Was in Linv verloren geht wandert nach Lstaat. Aus (Lstaaat=20 + Linv=30) wird dann vielleicht (Lstaat=27 + Linv=20). Da ändert nicht viel.
Unter dem Strich bleibt demnach die Erkenntnis, dass in einem modernen Sozialstaat Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit inflationär wirkt.
Anders in einem Staat ohne soziale Netze, wo man Arbeitslose (brutal ausgedrückt) verhungern lässt. Auch dort wirkt die Krise inflationär, allerdings nicht in so starkem Ausmass.
Das ist soweit auch logisch und ohne Mathematik nachvollziehbar: Je höher der Anteil jener Menschen ist, die vom Staat leben und zwar konsumieren aber nicht produzieren umso höher wird das Verhältnis Nachfrage:Angebot und damit steigen die Preise.
Entsprechend das Gegenteil, leichte Deflation oder nur leichte Inflation haben wir, wenn möglichst viele Menschen produzieren, das Angebot also ausgeweitet wird und gleichzeitig die Konsumgüterindustrie ihre Gewinne investiert, um die Produktivität weiter zu steigern, was den Output pro Mitarbeiter weiter erhöht.
Sprich: Bei wirtschaftlichem Aufschwung!
Damit wäre die landläufige Meinung widerlegt, Inflation bedeute hohen Wirtschaftsaufschwung (Überhitzung) und Deflation sei der Vorort zur Hölle.
Wir haben alle in den letzten 10 Jahren eine starke Deflation in den Preisen für Flachbild-TV, Handys und Digitalkameras gesehen. War dieser Preissturz etwa durch Depression und Wirtschaftkrise ausgelöst oder vielmehr durch Wirtschaftsaufschwung, Rationalisierung und Produktionssteigerung?
Denkt mal darüber nach
Happy Trades
Marcus