Nachdem ich im Eröffnungsthread vom Februar eine Verschwörungstheorie zum besten gegeben habe (Reinhardt, Legatus), gehe ich diesmal den umgekehrten Weg und versuche mit einigen gängigen Annahmen, Verschwörungstheorien aufzuräumen.
Inflation = steigende Preise
Und entsprechend Deflation = sinkende Preise.
Inflation und Deflation bezieht sich per Definition immer auf die Geldmenge. Die Annahme, dass eine steigende Geldmenge zu höheren Preisen führt ist logisch, denn wenn sich mehr Geld auf eine konstante Warenmenge stürzt, dann erhöhen sich die Warenpreise.
Das trifft aber nur dann zu, wenn die Inflation über die Nachfrageseite erfolgt, sprich: wenn mehr Geld bei den Konsumenten ist. Ist hingegen das Geld auf der Angebotsseite, steigen die Preise nicht. Im Gegenteil, sie können sogar sinken.
Ein Beispiel hierfür finden wir in den Jahren 1990-1999: Die Geldmenge wuchs in diesen Jahren um 8-15% aber die Konsumentenpreise stiegen nur moderate 2-4%. Einfach deshalb, weil viel Kapital in neue dotcom-Unternehmen floss, die damit ihr Angebot ausgebaut haben. Wir erinnern uns, dass damals dank des grossen Angebotes und des Kampfes um Marktanteile die meisten Internet-Angebote kostenlos waren. Auch die Preise für neue Techno-Spielereien (Handys) sanken.
Das neue Geld floss also ins Angebot und nicht in die Nachfrage. Deshalb blieben die Konsumentenpreise konstant.
Eine noch extremere Situation erleben wir gerade in diesen Monaten. Wir haben einerseits eine Inflation, eine Ausweitung der Geldmenge, in noch nie dagewesenem Ausmass aber tendenziell sinkende Preise. Speziell an der heutigen Situation ist, dass das neugedruckte Geld weder in der Angebotsseite, bei den Unternehmen, noch in der Nachfrageseite, bei den Konsumenten, angekommen ist. Es bleibt bei den Banken liegen, die damit die Sünden der Vergangenheit abschreiben. Für Konsument und Unternehmer bleibt Geld somit knapp und teuer. Entsprechend wird gespart und werden Schulden abgebaut. Ein Szenario, das wir eigentlich in einer Deflation erwarten.
Die Bemühungen der Zentralbanken und Politik gehen bekanntlich dahin, dieses Geld den Unternehmen und Konsumenten zugute kommen zu lassen. Sobald sich hier die Schleusen öffnen und die Banken wieder den Markt mit Kredit versorgen, ja sogar überfluten, wird dieses Geld einen Teuerungsschub auslösen. Die aktuelle Geldmenge bei den Banken hat dabei durchaus das Potenzial, die Teuerung schnell in den zweistelligen Bereich zu heben.
Floriert die Wirtschaft, steigt die Teuerung
Noch so eine unhaltbare Verschwörungstheorie. Sie besagt, dass Inflation (im Sinn von Teuerung) steigt, wenn es der Wirtschaft gut geht.
Diese Theorie lässt sich an zwei Beispielen sehr einfach widerlegen:
1. Wenn eine Firma dank starker Nachfrage 10'000 statt bisher 100 Stück pro Jahr verkaufen kann, wird sie rationalisieren, die Produktion steigern und somit sinken die Stückpreise. Beispiel ist die Preisentwicklung von Handys oder Plasma-Fernsehern in den letzten Jahren.
2. Während 100 Jahren Goldstandard im 19. Jh. Gab es stabile Preise. Dennoch ging es mit der Wirtschaft manchmal rauf und manchmal runter.
Es wäre aber auch falsch, im Umkehrschluss zu behaupten, eine florierende Wirtschaft führe zu niedrigeren Preisen. Tatsache ist, es ist beides möglich, es besteht keine Korrelation zwischen Teuerung und BSP.
Kredite basieren auf Sparkapital
Die gängige Meinung: 500 Menschen haben je Fr. 1000 gespart und das Geld auf die Bank gebracht. Von dieser halben Million kann die Bank nun 450'000 als Hypothek weiterverleihen.
So war das früher einmal, unter dem Goldstandard also bei begrenzter Geldmenge. Aber heutzutage, in einem fiat-money-System wäre das verfügbare Sparkapital nie im Leben ausreichend, um alle Schulden zu finanzieren. ( mach3: fiat hat übrigens nichts mit der gleichnamigen Automarke zu tun. Guckste: http://de.wikipedia.org/wiki/Fiat-Money )
Heute funktioniert das meist so: Wird ein Kredit von der Bank vergeben, dann holt sich diese das Geld von der Zentralbank und hinterlegt dabei den Schuldschein als Deckung. Dabei wird das Geld neu gedruckt. Die Geldmenge erhöht sich also um diese Schuld.
Umgekehrt verringert sich die Geldmenge, wenn Schulden bezahlt werden. Der Schuldner tilgt seine Schuld gegenüber der Bank und diese ihrerseits ihre Schuld bei der Zentralbank. Das Geld verschwindet aus dem Geldkreislauf.
Daraus folgert, dass man die Problematik um Geld und Geldmenge zusammenfassen kann unter der Formel:
Geld = Schulden
Jeglichem Geld steht eine Schuld in gleicher Höhe gegenüber. Würden alle Schulden auf einen Schlag bezahlt, gäbe es auch kein Vermögen, kein Geld mehr!
Details erspare ich euch hier. Wer sich in die Theorie des Debitismus einlesen möchte, dem seien die Werke des "dottore" Paul C. Martin empfohlen: http://www.dasgelbeforum.de.org/sammlung/Debitismus-PCM.pdf
Was uns unter dem Strich interessiert, ist, dass hinter jeder Schuld ein entsprechender Zins steht. Steigt also die Geldmenge (also die Kreditmenge), dann muss auch mehr Arbeitsleistung aufgewendet werden, um die Zinsen und Zinsenzinsen zu bedienen. Wenn dies nicht gelingt, dann müssen die Schulden von Jahr zu Jahr ausgebaut werden und erhöhen sich um die Zinsen. Da die Zinseszins-Kurve aber eine Exponentialfunktion ist, die Wirtschaft aber bestenfalls linear steigt, gelangen wir irgendwann an den Punkt, wo die Zinsen die Wirtschaftsleistung übersteigen, wir also nur noch für die Zinsen arbeiten.
Spätestens an diesem Punkt ist dann "Game over" und die Schulden (und somit die Geldmenge, die Vermögen) müssen reduziert werden.
Das ist genau der Punkt, an dem wir jetzt stehen:
In der aktuellen Situation müssten wie gesagt die Schulden gesenkt werden.
a) Das erreicht man klassischer Weise, indem man weniger ausgibt als man einnimmt und die Ersparnis zur Rückzahlung der Schulden verwendet. Das führt allerdings in eine Deflationäre Depression, weil der Konsum entsprechend zurück geht, Arbeitslosigkeit steigt und Unternehmen Pleite gehen. Also wird es immer schwieriger, Geld zu verdienen, zu sparen, Schulden zurückzuzahlen.
b) Die andere Variante ist die, dass man die Schulden real entwertet, indem man das Geld, in der sie bemessen werden, entwertet. Also Gelddruckerei, Inflation. Nominal eine grössere Geldmenge, mehr Schulden aber effektiv eine Reduktion der Schulden, weil ja der Wert, die Kaufkraft des Geldes abnimmt.
c) Die dritte Variante besteht darin, dass man ganz einfach Konkurs anmeldet. Oder - weniger dramatisch - einen Schnitt macht. Man sagt dem Gläubiger klipp und klar: Ich schulde Dir zwar 200 aber ich kann und werden nur 50 bezahlen. Entweder Du akzeptierst oder ich bin Pleite..
Auf Staaten übertragen wäre das entsprechend Staatsbankrott, Währungsschnitt oder Währungsreform.
Im Moment sind wir irgendwo auf dem Weg zwischen a) und b). Einerseits in einer Deflation aber andererseits wird gemäss b) wie blöd Geld gedruckt. Variante b) ist die bessere für die Schuldner, die schlechtere für die Gläubiger. Da die USA netto eine Schuldnernation sind, ist es logisch, dass sie Variante b) bevorzugen. Wenn die Gläubiger aber dabei nicht mitmachen und ihre Schulden zurückfordern, bleibt nichts anderes als Variante c).
Rearranging deck chairs on the Titanic
Die aktuelle Krise, die von einer übertriebenen Ausweitung von Geld und Schulden ausgelöst wurde, wird nun durch eine weitere Ausweitung von Geld und Schulden bekämpft:
Dear Mr. President, I read your New Era $3.6 Trillion Budget Proposal. I also listened to your speech Tuesday night. You made a great campaign speech. However, the campaign is over. You won. And the reason you won is you offered hope as well as a promise of change.
With all due respect Mr. President, Tim Geithner and Ben Bernanke are offering the same policies as President Bush and Secretary Paulson. Those policies are to bail out banks regardless of cost to taxpayers. Mr. President, it's hard enough to overlook Geithner's tax indiscretions. Mr. President, it is harder still. if not impossible, to ignore the fact that neither Geithner nor Bernanke saw this coming. Yet amazingly they are both cock sure of the solution. Even more amazing is the fact that solution changes every day.
With all due respect Mr. President, Geithner and Bernanke are a huge part of the problem, and no part of the solution and the sooner you realize that the better off this nation will be.
http://globaleconomicanalysis.…with-all-due-respect.html
Ob die Methode, Schulden durch höhere Schulden zu bekämpfen, Früchte trägt, darf mehr als bezweifelt werden. Vielleicht kurzfristig. Und was dann? Auch die neue Schuldenblase wird irgendwann platzen. Nur die Fallhöhe liegt um $3.6 Billionen höher.
Rückblick auf die Märkte
Rückblickend sehen wir folgende Monats-Performance im Februar (Eröffnungskurs 2.2. zu Schlusskurs 27.2.)
Dow Jones (-11.7%)
S&P 500 (-10.7%)
DAX (-10.8%)
SMI (-10.7%)
Gold in $ (+2%); € (+2.5%); CHF (+2.1%)
Oil Brent (+2.1%)
Ich darf also festhalten: Wer meiner Empfehlung vor einem Monat gefolgt ist und von Aktien in Gold umgeschichtet hat, hat nicht viel falsch gemacht
Ausblick auf März
Egal, ob man den S&P, DAX oder SMI betrachtet, überall dasselbe Bild: Die Tiefs vom November 2008 wurden nach unten durchbrochen, der Bärkeil hat sich ab etwa dem 17.2. nach unten aufgelöst.
Rechnerisch ergeben sich somit ungefähr folgende Kursziele:
S&P: 735
DAX: 3810
SMI: 4540
Das bedeutet nichts anderes als dass wir uns sehr nahe am Boden und in den Startlöchern für eine nahende Bärenmarktrally befinden! Natürlich könnte es ein Überschiessen auf DAX 3700, SMI 4400 geben aber auf der kurzen Seite sehe ich im Moment nur noch wenig Potenzial.
Für die folgenden Monate bin ich deshalb eher bullisch für Aktien. Prognose: nur noch 1-2% runter, wenn überhaupt, und danach Start einer Bärenmarktrally über etwa 2 Monate, die uns sogar wieder auf den Stand Anfang Januar bringen könnten. SMI 5800, DAX 5000. Letzteres allerdings nach Voodoo-Wellen-Theorie. ich bin da weniger optimistisch.
Soweit die Charttechnik.
Fundamental sieht es so aus, dass wir uns weiterhin auf einem viel zu hohem Niveau bewegen.
Nehmen wir den derzeit wohl wichtigsten Indikator, die US Immobilienpreise:
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Obschon die Immos bereits massiv (22%) korrigiert haben, sind sie im historischen Vergleich immer noch zu teuer. Hier haben wir also bisher bestenfalls die Hälfte der Korrektur hinter uns.
Auch Aktien sind noch viel zu teuer. Nehmen wir einen Langfristchart des SMI:
[Blocked Image: http://img7.imageshack.us/img7/1050/smi30yrkaufzone.png]
Die relativ "kleine" Krise der geplatzten Dot-Coms hat lediglich auf das Niveau von 1996 korrigiert. Ist es da so falsch anzunehmen, die aktuelle viel grössere Krise könnte noch viel weiter korrigieren? Rot eingezeichnet die Kaufzone. Sie bewegt sich auf dem Niveau 2500-3500. Dort vermute ich den langfristigen Boden im SMI.
Zusammengefasst also folgender Grobfahrplan:
Sinkende Kurse für maximal nächste Woche.
Danach rauf bis mindestens Ende März evtl. sogar bis Ende April
Ab Mai wieder Richtung Süden und neue Jahrestiefs gegen Mitte Jahr.
Für Gold sieht es fundamental zwar gut, charttechnisch aber weniger gut aus: Nach dem Überschreiten der $1000 und anschliessender Korrektur hat die Unterstützung von $931 bisher gehalten (obschon sie am 27.2. kurz nach unten durchbrochen wurde).
[Blocked Image: http://img11.imageshack.us/img11/9752/chartk.png]
Gold ist im Monats- und Wochenchart in einem sehr stabilen Aufwärtstrend. Im Wochenchart seit Mitte Dezember. Insofern haben Goldanleger langfristig nichts zu befürchten. Eine Blase zeichnet sich auch noch nicht ab, denn noch sind die Kleinanleger nicht in Gold eingestiegen.
Kurz- bis Mittelfristig jedoch könnte es eine Korrektur bis in den Bereich 850-900 geben. Entscheidend ist nach wie vor die Marke um $931. Wenn die hält, sollte sich die Rally direkt auf $1250 als erstes Zwischenziel fortsetzen. Andernfalls kann es bis maximal Ende Juli frustrierend werden, ein Goldbug zu sein.
Fundamental entscheidend ist nach wie vor die Teuerung. Wenn die Reflation gelingt und die gedruckten Milliarden in den Geldkreislauf fliessen, sind alle charttechnischen Überlegungen ohnehin hinfällig. Dann gilt nämlich immer noch: Dollar und Treasuries gehen in die Grütze und Rohstoffe, Edelmetalle erleben enorme Wertsteigerungen.
Happy Trades!
Marcus