Bevor ich zum Ausblick komme, erst ein paar Rückblickende Worte zum abgelaufenen Juni:
Das erwartete Jahrestief aus meinem Eröffnungsthread vom 1. Juni wurde im Dow erreicht, im SMI bisher knapp verfehlt. Die Richtung hat also gestimmt.
Der Ölpreis wird derzeit für so ziemlich alles verantwortlich gemacht, was derzeit an den Märkten schief läuft. Sogar Konsumentenvertrauen, Arbeitslosenzahlen und Dollarschwäche sind - so mein Eindruck - etwas in den Hintergrund getreten.
30. Juni war Quartalsabschluss und somit Window-Dressing. Unter Window-Dressing versteht man, dass die grossen Fondsmanager gut gelaufene Titel ins PF reinnehmen und schlecht gelaufene rausschmeissen. Für die Kunden, die sich nicht für die Märkte interessieren, ist nämlich wichtig, dass sie im Quartalsbericht jene Titel wiederfinden, die positiv in den Medien erwähnt wurden und - umgekehrt - keine negativ vorbelastete Titel.
Was weiterhin für einen positiven 30. Juni sorgte waren erneute $75 Mrd der FED (TSLF). Im Vergleich zu dieser Summe überzeugt mich ein Tagesgewinn von 5 P. im Dow nicht wirklich
(Was sind TSLF? http://classic.cash.ch/forum/v…0800&highlight=tslf#90800)
Ach ja, noch was: Am Freitag, 27. Juni hat die Nasdaq einen neuen Allzeit Volumenrekord mit 4,018,529,536 gehandelten Aktien aufgestellt.
Kommen wir also zum Ausblick auf den Juli
Das Thema der Woche, wenn nicht gar des Monats lautet
"Kampf ums Jahrestief".
Dow Jones und Euro-Stoxx haben es bereits vorgemacht und die wichtigen Unterstützungen bei 11644 bzw. 3400 nach unten durchbrochen. Der SMI steht recht nahe am Jahrestief, S&P500 und DAX noch etwas weiter entfernt.
Man kann dem Dow Jones zwar vielleicht nachsagen, dass er ein relativ kleiner und leicht zu manipulierenden Index ist, nicht aber Euro-Stoxx.
Haben Dow und Stoxx also die Vorreiterrolle gespielt und die anderen Indizes werden folgen oder sind das lediglich zwei temporäre Ausreisser nach unten, die sehr schnell wieder korrigiert werden sollten?
Es geschieht relativ selten, dass der Dow Jones aus Sicht von S&P500 und SMI die Vorreiterrolle bei Hochs und Tiefs spielt.
So zum letzten Mal geschehen im April 2000. Gucken wir mal den Chart:
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Mitte Januar 2000 markierte der Dow bei 11750 ein Allzeithoch, das 7 Jahre lang Bestand haben würde. Das unterschreiten dieser extrem wichtigen Marke von 11750 letzte Woche war entsprechend Anlass zu grosser Sorge. Das war nämlich die stärkste Unterstützung, die der Dow in dieser Gegend hat!
Der S&P markierte erst Ende März, SMI gar Ende August 2000 dieses Allzeithoch.
Im März 2000 markierte der Dow ein markantes Tief (im Vergleich zum Oktober 1999). S&P und SMI folgten ihm aber nicht und brachen das Tief von 1999 erst ein Jahr später, im April 2001.
Eine mögliche Schlussfolgerung lautet: Ein Tief im Dow muss nicht zwingend ein ebensolches im S&P und SMI bedeuten.
Aber das Beispiel ist - im wahrsten Sinne des Wortes - weit hergeholt (8 Jahre weit) und auch wenn damals der Dow alleine ein neues Tief markierte, die Anatomie der Kursverläufe blieb doch bei allen drei Indizes in etwa dieselbe.
Damit meine ich, dass ich es mir nicht vorstellen kann, dass einerseits der Dow seinen Abwärtstrend zur in Richtung 10'700 fortsetzt, während andererseits der SMI sich wieder in Richtung 8000 aufmacht.
Im obigen Beispiel war das Tief des Dow eine etwa dreiwöchige Bärenfalle. Aber all die folgenden Tiefs haben Dow, S&P und SMI in etwa am selben Tag durchgemacht.
Von kleineren Korrekturen nach oben und unten abgesehen, muss uns also in erster Linie die Frage interessieren, ob wir im SMI vom Jahrestief nach oben abprallen werden oder ob es nach unten durchstossen wird. Vielleicht sind wir ja auch bereits nach oben abgeprallt. Schliesslich wurde das Jahrestief fast (auf 30 Punkte genau) angepeilt und gestern gab es einen Erholungstag.
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Der 100-Punkte Move im SMI vom 30. Juni gibt noch kein klares Signal. Charttechnisch ist es nichts weiter als eine Erholung in einem vollkommen intakten Abwärtstrend.
Durch die Lupe des Stundencharts:
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Hier steht der SMI vor einer ersten Bewährungsprobe: Erstens ist er am oberen Anschlag des Trendkanals und zweitens am oberen Bollinger Band. Desweiteren wartet die GD50 als Widerstand.
Bullische Gefühle werde ich mir erst ab 7130 erlauben.
Aber bleiben wir beim grossen Bild:
Gemäss dem mittlerweile obligaten saisonalen Chart ...
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... müsste jetzt die Sommerrally starten. Aber davon ist nichts zu spüren. Bereits der Juni hätte eine spürbare Erholung bringen sollen. Das Gegenteil ist eingetreten.
Im ersten Halbjahr wurden die Gefahren lediglich "abstrakt" wahrgenommen: Subprime-Krise, die ja "nur die Banken betrifft", fallende Immopreise in USA, GB, IRL und Spanien - aber das ist ja alles weit weg. Sowie die Diskussion, ob es überhaupt zu einer Rezession kommen würde.
Mittlerweile sind die schlechten Daten aber beim Verbraucher angekommen. Das Verbrauchervertrauen in den USA , das wie erwähnt kaum Beachtung fand, ist fast auf dem Stand der schweren Rezession 1980/81
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Das ist schlimm, denn ein US-Konsument, der um seinen Arbeitsplatz fürchtet und die Zukunft negativ beurteilt, wird tendenziell eher sparen und möglichst wenig konsumieren. Genau das ist ja auch Sinn und Zweck einer Rezession: Sparen und Schulden abbauen. So wird beispielsweise die alte Karre noch ein wenig länger gefahren auch wenn sie ersetzt werden müsste.
General Motors und Ford kriegen das als erste zu spüren. Die GM-Aktien sind auf das Niveau von 1952 zurückgefallen.
Dass Finanztitel schlecht dastehen wissen wir. Dennoch haben viele darauf gesetzt, dass die wohl wichtigste Unterstützung bei 60 im Bankenindex halten würde.
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Doch daraus wurde nichts. Nachdem der BKX bereits am 8. Juni ein neues Jahrestief unterhalb 73.26 gemacht hat, steht er nun nach nicht einmal einem Monat 20% tiefer bei 58.13.
Hoffnungsträger für eine Sommerrally könnte der Transportindex sein, der ja bekannter Massen als Vorläufer für die Märkte dient.
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Mehr zum DJTA und seine Rolle als Vorläufer habe ich hier geschrieben:
http://classic.cash.ch/node/2262#comment-348656
Fundamental sieht es also nicht rosig aus. Dennoch halte ich - nach einem letzten - Rutsch nach unten (und ja, ich will verdammt nochmal die Jahrestiefs nochmals sehen!) eine Sommerrally als realistisch.
Begründung ist Behaviour Finance also die schlechte Stimmung, die durchaus eine Bärenmarktrally auslösen könnte:
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Die Stimmung ist derzeit auf einem Tiefpunkt angelangt. Oftmals ist genau dies der Anlass für eine Rally. Allerdings würde ich hier auf eine Trendwende beim Sentiment warten und nicht ins fallende Messer hinein auf long spekulieren.
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Interessant ist auch, dass die Institutionellen bereits wieder vermehrt kaufen während die Privaten ihre Aktien loswerden wollen. Da in der Regel die Instis bessere Informationen und Nerven haben, könnte das durchaus auf eine baldige Trendwende hindeuten.
Quelle: http://www.animusx.de/html/dax.html
Fazit: Die wirtschaftliche Realität, die sich nun bestätigende Stagflation und die Krisen, die sich nun auf die Realität der Konsumenten auswirken, deuten auf weiter sinkende Kurse hin. Sprich: Durchbruch der Jahrestiefs in allen Aktien-Indizes und eine weitere Abwärtswelle in Richtung der Tiefs vom Oktober 2002 (US-Indizes) bzw. vom 12. März 2003 (Europa).
Lediglich die Saisonalität und die schlechte Stimmung können als Indikator für eine nächste Bärenmarktrally herhalten.
Auf die Saisonalität zu wetten, ist nicht ratsam. Die Saisonalität verhält sich zu den Märkten wie der Wind zum Passagierflugzeug: Unterstützend oder bremsend aber nicht Richtungsweisend.
Die schlechte Stimmung kann noch schlechter werden oder auf diesem Niveau noch eine ganze weile lang schlecht bleiben. Als Kontraindikator ist sie nicht zuverlässig.
Somit bleibt nur noch die Charttechnik als Kombination aller Stimmungen und Informationen. Nur sagt uns die Charttechnik im Moment nicht viel. Nur das: Wir haben einen bestätigten Abwärtstrend und nähern uns den bisherigen Jahrestiefs.
Wir haben an einigen Beispielen (Dow, Euro-Stoxx, BKX) gesehen, dass sogar Mehrjahrestiefs im aktuellen Umfeld wie Butter durchbrochen werden können. Warum sollte das bei den noch stabilen Indizes wie SMI, DAX oder DJTA anders sein?
Nun, lassen wir uns überraschen und bleiben wir auf der hut. Eine Sommerrally wird mit jedem Index, der sein Jahrestief durchbricht unwahrscheinlicher. Und mit jedem Index, der nach oben abprallt wahrscheinlicher.
Bisher steht es diesbezüglich 3:0 für die Bären.
Stagflation, wir kommen!
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