Eure grössten Tradingfehler! Systematische Fehleranalyse und neue Erkenntnisse im Sinne von „learned lessons“
Auf dem Weg zu besseren Trading-Entscheidungen in einem schwierigen Marktumfeld
Einleitung
Angetrieben und berührt von den persönlichen Schicksalen einiger Forenuser, die im Rahmen der allgegenwärtigen Hypotheken- und Kreditkrise im letzten Halbjahr viel Geld verloren haben, ist mir spontan die Idee für diesen Thread eingefallen. Ziel ist, dass ihr einen beliebig ausgewählten Tradingfehler aus eurer Vergangenheit detailliert und sachlich hier aufarbeitet, auswertet und schlussendlich neue (alte?) Erkenntnisse präsentiert, die in der Zukunft zu besseren Trading-Entscheidungen führen sollen. Ausserdem sollen unsere stillen Mitleser von euren schmerzlich gesammelten Erkenntnissen auch profitieren können – damit dieselben Fehler nicht immer wieder passieren müssen!
Sicher braucht es eine gehörige Portion Mut sich hinzustellen und seine eigenen Fehler zu präsentieren. Hohn und Spott sind hier sowieso fehl am Platz. Es geht darum aus Fehlern von andern zu lernen und dadurch selbst zu besseren Entscheidungen zu gelangen. Deswegen mache ich auch den Anfang und fange mit meinem glücklicherweise bisher einzigen Tradingfehler an.
Dieser Thread soll in keinster Art und Weise eine Konkurrenz zum bestehenden Traderfriedhof darstellen. Er ist eher als Ergänzung gedacht mit einem klar sachlichen Fokus.
Ausgangslage
Am 11. Februar 08 publiziert die Credit Suisse Group ihr Jahresergebnis 07 mit einem Nettogewinn von 8.5 Mrd SFR. Dieses Ergebnis überraschte die Anleger und die Presse damals positiv v.a. weil i.R. der Hypothekenkrise nur ca. 2 Mrd SFR per Ende Dezember abgeschrieben werden mussten. Dies war im Vergleich zur direkten Konkurrenz ein fast schon bescheiden anmutender Betrag. CS-Chef Brady Dougan jedenfalls strahlte in die Kameras und strotzte vor Zuversicht i.S. von „Wir haben die Krise deutlich besser gemeistert und die Risiken rechtzeitig erkannt“. Die Fundamentaldaten des Unternehmens schienen mir also in Ordnung zu sein.
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CS-Chef Brady Dougan - Der Strahlenmann
Der Kursverlauf der CS-Namensaktie offenbarte eine stark fallende Kurstendenz seit dem 2007-Höchststand von ca. 95.—SFR in die Region von 55-60 SFR pro Aktie. Ich entschied, noch einen Tag zuzuwarten und den Kursverlauf weiter zu beobachten. Bei einem vermeintlich attraktiven Kurs von 56.85 stieg ich einen Tag später am 12. Februar mit 90 Aktien bei CSG NA ein.
Die Markttendenz zeigte klar nach unten. Der SMI lag am 11. Februar um 7300 Punkte, am 27. Februar i.R. einer kleinen Bärenmarktrally um 7700 Punkte. Der DJ dümpelte zwischen 12250 und 12750 Punkten umher.
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Quelle: Swissquote
Mein banaler Plan war es mit der an der Börse offensichtlich zu Unrecht abgestraften CSG-NA von einer kurzfristigen Erholung zu profitieren – die Fundamentaldaten des Unternehmens haben zu diesem Zeitpunkt ja gestimmt und ich war überzeugt, dass die Anleger in Anbetracht des CS-Jahresergebnis keine Kollektivstrafen an die Banken mehr verteilen würden. Ich hatte ebenfalls etwas Angst, den Anfang der Erholung zu verpassen wenn ich jetzt nicht kaufe.
Verlauf
So weit – so gefehlt! Am 19. Februar bricht meine heile CS-Welt das erste Mal zusammen. Die CS schreibt im Namen von Neubewertungen fürs 1. Quartal 08 aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung insgesamt 2.85 Mrd Dollar ab. Ausserdem laufe noch eine generelle Ueberprüfung von verdächtigen Positionen. Zudem müsse ev. das Jahrersergebnis nachkorrigiert werden.
Die folgende Woche zeigte eine fallende Kurstendenz. Trotz der leicht negativen Kurstendenz kaufte ich am 27.02. noch einmal 90 Aktien „günstig“ nach zu 54.70. Nach wie vor bin ich sicher: Das war sicher der letzte Abschreiber!
Endresultat
Im Rahmen der weltweit fallenden Börsen, der omnipräsenten Hypotheken- und Kreditkrise, dem sinkenden Dollar und der stetig neuen Abschreiber in der Branche fällt CSG NA am 07.03. unter 50.—SFR. Langsam aber sicher stellt sich bei mir eine Mini-Panik ein. Ich fürchte einen Absturz des CS-Kurses auf UBS-Niveau und rechne mit weiteren, völlig unkalkulierbaren Abschreiber. Ich ziehe gleichentags die Notbremse und verkaufe alle 180 Aktien zu 49.20. Mit 12% Verlust und 1300.—SFR ärmer schliesse ich die Position.
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Quelle: Swissquote
Zumindest was das schlechte Gefühl beim Quartalsergebnis angeht, habe ich Recht behalten. Die CS publiziert am 24.04. einen Nettoverlust von 2.15 Mrd. SFR fürs 1. Quartal 08.
Persönliche Erkenntnisse
1. Dont fight the trend! Die Kurstendenz war schon beim Kauf negativ. In eine fallende Kurstendenz kaufe ich nicht mehr ohne Weiteres hinein.
2. Was den Bärenmarkt allgemein betrifft: Erstens dauert es länger und zweitens geht es tiefer!
3. Günstige Aktien sind in Bärenmärkten oft nur auf den ersten Blick attraktiv bewertet. Günstig Einkaufen kann man mit etwas Glück auch noch später.
4. Spätestens wenn ein Banken-CEO sagt: „Wir haben keine Probleme“ ist es Zeit alle Aktien zu verkaufen…
5. Als Hobby-Trader: Finger weg von kriselnden Branchen und Zockeraktien.
Fazit
Hätte ich meine CS-Aktien bis heute behalten, wäre ich wieder Break-Even…
Ich bin gespannt auf eure "learned lessons"!
Herzliche Grüsse
ArgonNova
Hobby-Börsianer
P.S. Ich hoffe auf rege Teilnahme! Ansonsten bringt der Thread ja nix.